Kirchheim
Gehaltvoll präsentierte Zeitreise mit Schmiss

Kultur Das Landestheater Schwaben erinnert an den legendären Memminger Künstlertreff „Café Rieger“.

Kirchheim. Wo sind sie alle abgeblieben, die behaglichen Kaffeehäuser, die in fast jeder Stadt eine gewichtige Rolle spielten? In der von Patrick Schimanski inszenierten musikalischen Zeitreise durch die 1920er- bis 1950er-Jahre ließ ein famos agierendes sechsköpfiges Ensemble via Spielszenen, Gesang und Instrumentalbegleitung alter Klassiker, diese besondere Kaffeehauskultur wiederaufleben.

Alles basiert auf Zeitzeugenaussagen, Literatur und Filmen, historischen Quellen sowie den Aufzeichnungen des Enkels von Maria Rieger - jener patenten und extravaganten Frau, die das Café durch ihre Heirat mit Josef Rieger zum einst angesagtesten Lokal von Memmingen katapultierte. „Puttin‘ on the Ritz“, der Swingklassiker zog sich wie ein roter Faden durch den kommunikativen Ort des Austausches und der rauschenden Veranstaltungen samt legendären Kostümfeste.

Schauspielerin Elisabeth Hütter spielt an diesem Abend nicht nur die Wirtin, sie lebt sie. Mit Stimme, Esprit und beachtenswertem Körpereinsatz, stellt das quirlige Energiebündel bisweilen sogar ihre „berühmten“ Mitstreiter in den Schatten. Sie tanzt, singt, philosophiert und macht mit ihrer illustren Gästeschar selbst vor einem kollektiven „Saufgelage“ nicht Halt.

Großer Respekt gebührt allen Akteuren für ihre Vielseitigkeit - da sei auch verziehen, dass manche Charaktere etwas zu überzeichnet waren. So fühlte sich bei Maria Rieger der Memminger Maler und Bildhauer Max Pöppel wohl, zwischendurch schlüpft Jan Arne Loos in die Rolle von Heinz Rühmann, der als „Quax der Bruchpilot“ an die Tür der Kultstätte klopfte. „Hier im Café Rieger war die Seele noch was wert.“

Tobias Loth verkörpert Josef Rieger, Marias kriegstraumatisierten Ehemann, der zuvor als „Patissier“ dem Publikum seine süßen Kreationen vorstellt, aber auch den NSDAP-Kreisleiter Schwarz im Ledermantel, der mit seinen Forderungen Maria Rieger ins Aus treibt. Hatten die Männer mehrere Rollen inne, brachte Anke Fonferek als „Friederike von Ahrensberg“ eine etwas frivol-borstige und provokante Note ins Spiel. „Friede, Aufschwung, Eierkuchen“ - dank Dr. Oetker und dem hochprozentigen „Frauengold“ begann die Zeit des Wirtschaftswunders.

Das Sahnehäubchen waren die hochklassigen Musiker, zum einen Ekaterina Isachenko, die sich nur einmal kurz vom Piano löste und ihr Talent als Sopranistin offenbarte sowie Leopold Gmelch. Feinfühlig umrahmte er die abwechslungsreiche Musikrevue mit Posaune, Tuba und bayerischen Weisheiten wie: „Wer nicht heiratet, krieagt koi Schwiegermutter net.“ Sabine Ackermann.