Es hätten gerne mehr sein können. Geschätzt waren etwa 30 Interessierte gekommen, darunter einige Mitglieder des „Freundeskreises für Suchtkrankenhilfe“ sowie unterschiedliche Fachkräfte, die zwanglos miteinander ins Gespräch kommen wollten. Und: um nicht zuletzt etwas über die Psychiatrie-Station 35 der Medius-Klinik Kirchheim zu erfahren. Ob jemand darunter war, der mit Alkohol, Medikamenten oder Rauschgift Probleme hat oder hatte, weiß man nicht – es war unter den Anwesenden niemand bereit, über sein Schicksal zu reden.
„Wir alle kommen aus einem Gestern, das mit unseren heutigen Leben wenig gemein hat. Egal ob Angehöriger oder Abhängiger, jeder trifft für sich eine Entscheidung, um mit der Suchterkrankung klarzukommen“, leitet der stellvertretende Freundeskreisleiter Wolfgang Krohmer den Abend ein. War die Abstinenz eine gute Entscheidung, seien die Betroffenen erst danach gefordert worden, sich mit Fragen auseinanderzusetzen: „Was macht uns wirklich frei? Was bringt uns eine innere Zufriedenheit? Genau hier fängt das eigentliche Wirken der Freundeskreise an, indem wir durch Austausch und Anregungen sowie Beispielen aus dem eigenen Leben gegenseitig Hilfestellungen zum Erreichen eines suchtmittelfreien Lebens geben“, fährt der seit 20 Jahren trockene Alkoholiker fort.
Liebe, Mut und Zuversicht
„Die Menschen unserer Gruppe geben hierzu Liebe, Mut, Zuversicht, Selbstbewusstsein und Vertrauen – all die Zutaten für ein selbstbestimmtes Leben oder eine zufriedene Abstinenz.“ Allerdings benötige die Gemeinschaft den Mut, auch zu sagen: „Wenn du den Freundeskreis nicht haben willst, kannst du gehen und dein Glück anderswo versuchen“, macht Wolfgang Krohmer deutlich, dass sich hier niemand verbiegen will und wird. Anschließend erzählt Wulf Wallis, wie sich die Psychiatrie und der Umgang mit Betroffenen gewandelt habe. So gab es noch in den 70er-Jahren, was auch die Blütezeit der Selbsthilfegruppen gewesen sei, noch Eisbäder und Elektroschocks. „Da geht’s uns jetzt doch gut“, so der Freundeskreisleiter, und er bittet zwei Mitarbeiterinnen aus der Medius-Klinik Kirchheim, etwas über die neue Station 35 zu erzählen, die es mit 21 Betten seit dem 6. November gibt. „Aufgenommen werden Patienten ab dem 18. Lebensjahr. Wichtig ist der Ausschluss der Pflegebedürftigkeit und fortgeschrittene demenzielle Erkrankungen, da diese Patienten von unserem Therapieangebot nicht profitieren können“, berichtet Diplom-Pädagogin Iris Svezia. Die Ziele des 21 Tage dauernden „Qualifizierten Entzugs“ sind: Förderung der Einsicht in die Erkrankung und Manifestation eines Problembewusstseins, Aktivierung der Abstinenzfähigkeit und der Veränderungsmotivation durch psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräche, Erhöhung von Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung durch kontinuierliche Lernangebote im Stationsalltag und im therapeutischen Setting.
Zudem macht Iris Svezia deutlich: „Die Patienten erleben bei uns durch ein multiprofessionelles Team einen klar strukturierten Tagesablauf, der erfahrungsgemäß hilfreich bei der Stabilisierung ist. Außerdem geht es darum, die therapeutische Weiterversorgung im ambulanten Bereich aufzubauen oder gegebenenfalls eine Langzeitbehandlung anzustreben.“ Verpflichtend für die Patienten ist während ihres Aufenthalts, die Kontaktmöglichkeiten zu den Mitarbeitern des Suchthilfesystems sowie zu den Selbsthilfegruppen im Landkreis wahrzunehmen.
Gute Sache für die Gesellschaft
Nur zwei, drei Fragen kommen aus dem Publikum. So möchte ein Mann wissen, „wie es nach den 21 Tagen im geschützten Rahmen weitergehe“. Eine weitere Frage war, ob auch die Angehörigen mitgenommen werden. Mit Blick auf den Gastgeber rät der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands Eberhard Haußmann am Schluss: „Gehen Sie dorthin und zeigen Sie sich. Freundeskreise finden im Stillen statt – dabei sind sie so eine gute Sache in der Gesellschaft.“ Alle Anwesenden erlebten einen Abend mit wichtigen Informationen, der dann mit einem Imbiss und lockeren Gesprächen endete.
Nachdem die Beauftragte für Suchtprävention Christiane Heinze von der „Hängebrücke“ und Irmgard Pfleiderer, von „Frauen helfen Frauen“, einen kurzen Einblick in ihre jeweilige Tätigkeit gaben, bekamen sie von den Mitgliedern des „Freundeskreises für Suchtkrankenhilfe“ eine Spende von 560 Euro überreicht.