Kirchheim
Gemeinsame Trauer lindert den Schmerz

Gedenktag Zum „Welttag der Sternenkinder“ am 15. Oktober können sich Eltern auf dem Alten Friedhof in Kirchheim an ihre Kinder erinnern, die nicht lebend zur Welt gekommen sind. Von Andreas Volz

Ein Gespräch kann helfen, Trauer zu teilen und gemeinsam zu bewältigen. Das gilt auch für die Trauer um „Sternenkinder“.    Symbolfoto: Florian Wallenweinv

Wenn es um das Tabuthema Tod geht, gibt es nichts Schlimmeres, als ein Kind zu verlieren. Schließlich ruhen auf den Kindern die Zukunftswünsche und -hoffnungen der Eltern – auch auf Kindern, die noch gar nicht geboren sind. Wenn dann eine Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt endet, wird der Zukunftstraum zum Alptraum.

Darüber reden? Lange genug war das ein noch größeres Tabu als der Tod ganz allgemein. „Manche wissen einfach gar nicht, was sie sagen sollen“, sagt Simone Meyer aus Lindorf, die selbst schon zwei Fehlgeburten erlitten hat. Wenn doch jemand Worte findet, sind es manchmal die falschen, in etwa: „Ist ja nicht so schlimm, war ja nur eine Fehlgeburt.“ Simone Meyer rät dazu, knappe Antworten zu geben, zum Beispiel: „Deswegen bin ich aber trotzdem traurig.“

Kein Richtig und kein Falsch

Die Trauerphase ist in jedem Fall wichtig, unabhängig davon, in welchem Lebensstadium ein Mensch gestorben ist. Für die Trauer der Hinterbliebenen gilt: Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Jeder einzelne Mensch muss seine eigene Form der Trauer finden. Niemand muss sich da hineinreden lassen. Was helfen kann, sind einfühlsame Mitmenschen, die sehr viel mehr zuhören, als dass sie kluge Ratschläge erteilen.

Und trotzdem gilt auch: Wenn das Leben weitergehen soll – was es ja ungefragt tut –, sollte jede Trauerphase dazu führen, am Ende wieder Licht zu sehen. Wie lange die Trauer dauert, spielt keine Rolle, sie kann sich über Jahre hinweg ziehen. Die Trauer wird auch nie ganz abgeschlossen sein. Immer wieder gibt es Erinnerungen, die das Gefühl auslösen, als zerbräche einem das Herz. Das kann auch nach Jahrzehnten noch der Fall sein. Aber es sollte nicht für Jahrzehnte zum Dauerzustand werden. Was helfen kann, um aus dem Tal der Trauer herauszukommen, sind Gespräche. Viel Verständnis bringen diejenigen auf, die eine vergleichbare Situation selbst schon einmal durchgemacht haben. Die Redewendung vom geteilten Leid, das halbes Leid ist, hat hier ihre volle Berechtigung.

In Kirchheim sind erstmals im November 2003 Eltern auf dem Alten Friedhof zusammenkommen, um an der Bestattung ihrer Kinder teilzunehmen, die bereits vor der Geburt verstorben sind. Das Krankenhaus bietet eine solche Trauerfeier gemeinsam mit der Klinikseelsorge an. Der eine Termin im Jahr hat irgendwann nicht mehr ausgereicht: Seither gibt es Bestattungen von „Sternenkindern“ jeweils im Frühjahr und im Herbst. Seit Oktober 2018 gibt es ein ähnliches Grabfeld auch in Nürtingen. Weil der Platz auf dem Alten Friedhof in Kirchheim nicht mehr ausgereicht hat, wurde ein neues Grabfeld für „Sternenkinder“ auf dem Waldfriedhof angelegt. Die Trauerfeiern finden abwechselnd in Nürtingen und Kirchheim statt. Der nächste Termin ist Ende des Monats in Kirchheim.

Gedenkmoment am Samstag

Am Samstag, 15. Oktober, gibt es eine deutlich kleinere Zeremonie zum „Welttag der Sternenkinder“. Um 15 Uhr treffen sich Betroffene am Grab auf dem Alten Friedhof zu einem Gedenkmoment mit der Klinikseelsorge der Medius-Kliniken. Am Abend kann sich jeder daran beteiligen, dass ein Licht um die Welt geht: Weltweit stellen Eltern jeweils um 19 Uhr Ortszeit für die folgende Stunde ein Kerzenlicht ans Fenster, um an ihre Kinder zu erinnern, die sie nicht ins Leben begleiten durften. Auch das kann helfen, die Trauer zuzulassen und sie dadurch ein Stück weit zu bewältigen.

Wer Hilfe in direkten Gesprächen sucht, kann sich per Instagram unter simone_meyer76 an Simone Meyer wenden. Sie hat auch bei der Stadt Kirchheim die Erlaubnis beantragt, dass am Samstag auf dem Alten Friedhof Kerzen und Blumen am Sternenkindergrab niedergelegt werden dürfen – aber nur unter der Bedingung, dass sie persönlich dafür einsteht, einige Zeit später alles wieder wegzuräumen. Auch die Stadt berücksichtigt also den besonderen Gedenktag und die lindernde Wirkung der gemeinsamen Trauer.