Keiner darf verloren gehen – an diesem Grundsatz hat sich seit 75 Jahren nichts geändert. So lautet der Titel des Buchs über das Leben des CJD-Gründers Arnold Dannenmann und genau danach richtet sich die Orientierung des Christlichen Jugenddorfwerks bis heute aus.
Im Doschler in Kirchheim wurde der runde Geburtstag gefeiert. Es gab einen Tag der offenen Tür. Wer wollte, konnte sich direkt neben der Lauter in den Räumen umschauen. In der Kita brummt das Leben, große Kinderaugen schauen neugierig durch die Scheiben. Zuvor haben sie beim Festakt die Gäste mit einem Geburtstagslied unterhalten. Jetzt schlendern viele fremde Menschen an der geschlossenen Tür vorbei, um sich draußen verköstigen zu lassen oder das Labyrinth von Büro- und Veranstaltungsraum oder Wohntrakt anzuschauen. Trotz Regens findet sich auch draußen die eine oder andere Gelegenheit, unter Bäumen trocken zu bleiben, miteinander zu reden und – gesundheitspolitisch ganz unkorrekt – eine Zigarette zu rauchen. Die Stimmung ist unaufgeregt, entspannt, viele kennen sich. Beim Festakt wurden unter anderem Luftballons verteilt und die Jubiläums-Kunstwerke präsentiert.
„Wir wollen Menschen begleiten, damit sie eigenständig ihr Leben führen können. Dazu gehören Körper, Geist und Seele. Das ist heute so aktuell wie vor 75 Jahren“, sagt Samuel Breisacher, CJD-Regionalvorstand. Jeder Mensch soll seinen Weg gehen können. Deshalb leben Menschen mit und ohne Einschränkung im Doschler unter einem Dach, ebenso Menschen unterschiedlicher Herkunft. Flüchtlinge sind ebenso willkommen. Auch die Altersstruktur ist bunt: Von den Kleinsten in der Kita über die Jugendlichen in der Ausbildung bis hin zu den Erwachsenen. Das sind beispielsweise Frauen mit Kopftuch und Kinderwagen, denen in den Analphabetenkursen nicht nur die Sprache, sondern auch das Lesen und Schreiben gelehrt wird.
„Wir wollen uns um die junge Generation kümmern, ihnen Perspektiven bieten“, sagt Inge Starzmann, Fachbereichsleiterin beim CJD Kirchheim. Dazu gehören neben dem Doschler auch das Hohenreisach sowie der Bläsiberg bei Wiesensteig. Die Kita ist fester Bestandteil im Doschler, die berufliche Bildung findet sich mit ihren unterschiedlichen Werkstätten und der Gärtnerei im Hohenreisach. Die Blockschüler der Max-Eyth-Schule wohnen im Doschler.
Wohnen und damit das Internat sowie die Ausbildung gehören für Inge Starzmann zusammen. „Dann kommen die jungen Menschen aus ihrem gewohnten Umfeld heraus“, sagt sie. Das ist im einen oder anderen Fall wichtig, beim CJD bekommen die jungen Menschen neue Impulse. Für manchen bedeutet das Tagesstruktur lernen, sich eintakten und arbeiten in einem immer wiederkehrenden Rhythmus. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des CJD helfen praktisch beim Erwachsenwerden. Das beginnt beim Wäschewaschen und endet noch lange nicht beim Kochen von gesunden Mahlzeiten. „Das ist ein Gesamtpaket, das die Jugendlichen reifen lässt. Sie werden selbstständig und bekommen einen anderen Blick“, ist die Erfahrung von Inge Starzmann.
„Was brauchen die Jugendlichen? Wie können wir Möglichkeiten schaffen, um die Fachkräfte auszubilden, die die Wirtschaft braucht? Wir betrachten das ganzheitlich“, sagt Alexander Lawitschka, Gesamtleiter des CJD Baden-Württemberg. Deshalb gibt es nicht nur die Malerwerkstatt im Hohenreisach, sondern auch Computerkurse. Die „digitalen Themen“ sind ein zentraler Punkt. „Die Teilnehmenden sollen bei 4.0 bestehen können“, sagt Alexander Lawitschka.
„Der Fachkräftemangel in Deutschland ist unübersehbar, wir sind auf Zuwanderung angewiesen – und auf deren Qualifizierung, damit sie in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Deshalb bieten wir dieses begleitende Angebot mit Wohnen an“, erklärt Inge Starzmann.