Natürlich darf die Frage an diesem Ort nicht fehlen. „Schule und ich – das war nicht immer die große Liebe“, sagt Tim Bengel und schmunzelt. Auf Einladung des Gesamtelternbeirats des Schlossgymnasiums ist der mit seinen Sand- und Goldbildern mittlerweile weltberühmte Künstler aus Esslingen in die Kirchheimer Schule gekommen, um im Gespräch mit
dem Journalisten Kai Holoch sehr viel und oft auch sehr Amüsantes aus seinem Leben zu erzählen. Die von dem Elternbeiratsvorsitzenden Sven Dahlmeier begrüßten zahlreichen Gäste erlebten anderthalb kurzweilige Stunden voll spannender Geschichten.
Seine Schulzeit hat Bengel übrigens nicht am Schlossgymnasium, sondern zunächst in Neckartenzlingen und später in Nürtingen erlebt – und dabei „viele Sachen gelernt, auf die ich überhaupt keine Lust hatte“. Aus Protest hat er ein Jahr lang keine Klassenarbeiten abgegeben und ist mit einem Schnitt von 0 Punkten sitzengeblieben.
Geschadet hat das Bengel nicht. Nach dem bestandenen Abi hat er zunächst bei Hugo Boss eine Modeschneider-Lehre begonnen und dabei jenes millimetergenaue Arbeiten gelernt, das dann ein Teil seines Erfolgsgeheimnisses seiner Bilder ausmacht. Bei Boss hielt es ihn ebenso wenig wie in seinem nächsten beruflichen Versuch als Gesundheitsmanager. Und wäre nicht der Kunsterfolg dazwischen gekommen, hätte Bengel vielleicht sogar sein Philosophie- und Kunstgeschichte-Studium abgeschlossen.
Für seine Kunstkarriere habe ihn ein Besuch der Stuttgarter Staatsgalerie zusammen mit seiner Mutter am stärksten geprägt, erzählt Tim Bengel. Während die Erwachsenen die Werke des amerikanischen Malers Cy Twombly und seines russischen Kollegen Wassily Kandinsky bewunderten, habe er sich nur gewundert: „Was soll der Schrott?“
Die Frage, wieso ein Künstler in ein Museum komme, habe den damals Achtjährigen so sehr beschäftigt, dass er beschlossen habe, selber Bilder zu malen. Diese habe er an die Staatsgalerie und an andere Museen geschickt. Lediglich das Ritter-Sport-Museum in Waldenbuch habe reagiert, ihm fünf Kilo Schokolade als Honorar geschickt und das Bild sogar behalten. „Die haben jetzt einen frühen Bengel“, sagt der Künstler und lacht.
Für fünf Kilo Schokolade bekommt man heute keinen Bengel mehr. Für eines seiner Bilder aus weißem und schwarzem Sand sowie Blattgold muss man schon höhere fünfstellige Summen hinblättern. Und für seinen ikonischen Avocado-Bagel, dessen 37 Einzelteile er aus zwölfeinhalb Kilogramm purem Gold hat gießen lassen, musste der neue Besitzer einen Millionenbetrag zahlen.
Auch dazu hat Bengel eine Anekdote bereit: Weil die gepanzerte Vitrine beim Flug nach Florida zur weltweit größten Kunstmesse Art Miami beschädigt worden war, hatten Bengel und sein Galerist befürchtet, dass sie auf die Ausstellung des Bagels verzichten müssten. Doch dann kam ein Anruf vom Miami Police Departement, das von dem Malheur gehört hatte und anbot, die Wache am Bagel zu übernehmen: „Ein Kunstwerk, das eine Woche lang von jeweils zwei bewaffneten Polizisten bewacht wurde? Ihr könnt euch vorstellen, wir waren in aller Munde!“
Kraut statt Avocado
Aktuell beschäftigt sich Bengel nicht mit der Avocado, sondern mit Filderkraut. Im September findet im Stuttgarter Stadtpalais eine große Ausstellung genau zu diesem Thema statt. Bengel steuert dazu nicht nur ein eigenes Werk bei, sondern er kuratiert die Ausstellung, an der sich international renommierte Künstler beteiligen. Neben der Kunstausstellung gibt es viel Wissenswertes zu dem faszinierenden Gemüse und eine Pop-Up-Küche, in der jeden Tag Krautgerichte gekocht werden. Das Rohmaterial wächst direkt vor dem Stadtpalais, in einem extra dafür angelegten Garten.
Tim Bengels Bekanntheit wächst ständig. Mittlerweile hat er im Netz eine halbe Milliarde Klicks gesammelt. Werke von ihm hängen bei Fußballprofis wie Manuel Neuer und Antonio Rüdiger im Wohnzimmer. Ein bisschen bedauert er, dass mit Ausnahme seines Freundes Timo Hildenbrand, mit dem zusammen er in Stuttgart ein veganes Restaurant betreibt, kein VfB-Spieler bisher ein Bild von ihm besitzt. Aber es gibt eine andere Ehre für den VfB-Fan Bengel: In der kommenden Spielzeit wird die Mannschaft an einem Spieltag ein von ihm gestaltetes Trikot tragen. „Sand wird dabei keine Rolle spielen“, räumt er lachend ein, „dafür Gold“. Man darf gespannt sein. pm