Kirchheim
Großer Bahnhof für den ersten Stromer

E-Mobilität Die Kreise Esslingen und Göppingen nehmen den ersten E-Laster im Straßenbauamt in Betrieb. Minister Hermann: Kommunen müssen Vorbilder sein. Von Bernd Köble

Fahrzeuge der Stuttgarter Feuerwehr kommen bereits auf leisen Sohlen und abgasfrei daher, der Markt für Elektro-Pkw kommt allmählich in Schwung und der Landkreis Esslingen will in absehbarer Zeit auch schwere Baustellenfahrzeuge und Schneepflüge mit Brennstoffzellentechnik auf die Straße schicken. Das Ziel einer emissionsfreien Straßenmeisterei, das der Landkreis als ein Baustein seines neuen Mobilitätskonzeptes verfolgt, ist gestern ein Stück näher gerückt. Mit der Übergabe des ersten rein elektrisch betriebenen Klein-Lkw an das gemeinsame Straßenbauamt der Kreise Esslingen und Göppingen signalisiert man im Landratsamt: Wir meinen es ernst mit der Mobilitätswende.

Dass das Fahrzeug in einem Firmenhof in Zell unter Aichelberg gestern den Besitzer wechselte, war weniger der zentralen Lage an der Grenze beider Landkreise geschuldet: In Zell wird unter Hochdruck an der Zukunft gebastelt. Zumindest, wenn es um alternative Antriebstechniken für Nutzfahrzeuge geht. Mit bisher noch 15 Mitarbeitern stattet die Firma Elektrofahrzeuge Stuttgart (EFA-S) neue Karosserien mit Hochvolt-Synchronmotoren aus oder rüstet gebrauchte Nutzfahrzeuge um. Dank der schwäbischen Spezialisten rollen heute 200 Transporter des Paketzustellers UPS abgasfrei von Tür zu Tür. Im Stop-and-go-Verkehr auf überschaubaren Strecken spielt der E-Antrieb seine größten Stärken aus. „Beim Verbrenner funktioniert hier keine Abgassteuerung und kein Katalysator,“ nennt Reinhardt Ritter den Grund, weshalb herkömmliche Motoren bei diesem Einsatz besonders umweltschädlich sind.

Der 72-jährige Firmengründer ist gebürtiger Stuttgarter, wohnt in Jesingen und ist ein Pionier in Sachen E-Mobilität. Vor 24 Jahren, als Batteriautos allenfalls in Kinderzimmern Thema waren, hat er einen fabrikneuen Polo mit einem Hochvolt-Motor ausgestattet. 14 Jahre später rollte der erste umgerüstete Stromer mit dem UPS-Logo vom Firmenhof. Der Weg führt seitdem steil nach oben. Das Unternehmen expandiert, sucht fieberhaft nach zusätzlichen Fachkräften. Mittelfristig sollen in Zell 800 E-Fahrzeuge pro Jahr ausgeliefert werden. An Baufirmen, Verkehrsbetriebe oder - wie gestern - an Straßenmeistereien.

Erfolgsgeschichten wie diese lassen auch das Herz eines grünen Ministers höher schlagen. Winfried Hermann, vor zehn Jahren noch Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, war dabei, als der erste mokkabraune Kastenwagen an UPS übergeben wurde. Gestern stand Baden-Württembergs Verkehrsminister wieder auf der Gästeliste. Hermann rollte - wie es sich gehört - in einer E-Limousine auf den Hof. Viel wichtiger jedoch: Der Minister kam nicht mit leeren Händen. Mit 25 000 Euro übernimmt das Land knapp ein Viertel der Anschaffungskosten für den 4,6 Tonnen schweren Pritschenwagen, der eine Reichweite von 200 Kilometern haben soll und der als Teil einer Sonderkolonne beider Landkreise zunächst in Eislingen stationiert sein wird. Insgesamt steckt das Land rund 90 Millionen Euro in die Förderung der E-Mobilität, wie Hermann betonte. „Die Landkreise und Kommunen haben bei Investitionen in klimaschonende Nutzfahrzeuge eine Vorbildfunktion,“ sagte der Minister.

Für die beiden Landräte Heinz Eininger (Esslingen) und Edgar Wolff (Göppingen) soll es erst der Beginn einer längeren Zusammenarbeit mit dem Unternehmen aus Zell sein. Zwar sind noch keine Verträge fixiert, aber das nächste Projekt wartet schon: In der Firmenhalle wird in Kooperation mit Daimler und der Hochschule Esslingen ein 26 Tonnen schwerer Lkw mit Brennstoffzellentechnik ausgestattet. Das Ganze ist Teil einer so genannten Exzellenzinitiative der Bundesregierung gemeinsam mit dem Kreis Esslingen und dem Rhein-Neckar-Kreis. Mitte kommenden Jahres soll das Fahrzeug in Betrieb gehen. Vom Bund gefördert und von einer internationalen Großspedition im Mittelstreckenbetrieb getestet.

Bei soviel innovativer Schubkraft lässt es sich sogar verschmerzen, dass das Gerippe des gestern ausgelieferten Kleinlasters nicht aus Deutschland, sondern aus dem fernen Russland stammt. Die Karosserie liefert mit GAZ der Weltmarktführer im Nutzfahrzeugbau. Am Gesamtpaket ändert sich dadurch nichts: Es bleibt das Ergebnis schwäbischen Tüftlergeists.