Finanzen
Grundsteuer: Fragen über Fragen

Seit die Grundsteuerbescheide verschickt werden, klingeln die Telefone in den Rathäusern und im Finanzamt Nürtingen ununterbrochen. Auch die Nachfrage nach Gutachten ist weiterhin groß.

Nach dem Versand der Grundsteuerbescheide ist der Informationsbedarf bei Bürgerinnen und Bürgern groß.  Archivfoto: Carsten Riedl

In der vergangenen Woche hat das Finanzamt Nürtingen eine Pressemitteilung verschickt, die man durchaus als Hilferuf verstehen kann. Der Hintergrund: Eine wahre Flut an Anrufen, ausgelöst durch die Versendung der Grundsteuerbescheide. „Das Anruf- und Mailaufkommen ist noch zu bewältigen, allerdings sind sämtliche Bearbeiterinnen und Bearbeiter mittlerweile sehr stark frequentiert. Das führt zu erheblichen Wartezeiten und gelegentlich auch zur Überlastung der Telefonanlage, mit gelegentlichem Funktionsausfall, was sehr bedauerlich ist“, sagt Timo Just vom Finanzamt Nürtingen. Für einige Fragen ist das Finanzamt der richtige Ansprechpartner, für andere nicht. Just bittet dringend darum, dass nur Fragen an das Finanzamt gestellt werden, die es auch wirklich beantworten kann, gerne auch per Kontaktformular. Antworten auf häufig gestellte Fragen gibt es hier. 

Verunsicherung ist groß

Auch bei Silke Adam, Mitarbeiterin im Steueramt der Stadt Owen, steht das Telefon seit dem vergangenen Dienstag nicht mehr still. Viele der Fragen kennt sie schon aus den vergangenen Jahren. Wer 2024 Haus oder Wohnung verkauft hat, erhält beispielsweise dennoch einen Grundsteuerbescheid und muss zunächst zahlen. „Das liegt daran, dass das Finanzamt nicht so schnell hinterher kommt“, erklärt die Rathaus-Mitarbeiterin. Die Grundsteuer werde allerdings rückerstattet. Und bei Erbengemeinschaften sorgt häufig die Tatsache für Verwirrung, dass alle Erben einen Grundsteuerbescheid erhalten. „Viele denken dann, sie müssten drei Mal Grundsteuer bezahlen“, sagt sie.

Silke Adam ist gespannt, wie sich der Informationsbedarf in den kommenden Wochen entwickelt. Die Steuerfachfrau hat Verständnis für die Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger. „Viele müssen jetzt eben einen höheren Betrag zahlen und wollen das hinterfragen“, sagt sie. Problematisch sei, dass die Bescheide über die Messbeträge, anhand derer sich die Grundsteuer berechnet, bereits Ende 2022 oder 2023 versendet worden seien. „Dann bekommen die Bürger den Grundsteuerbescheid von uns und können das gar nicht nachvollziehen, weil es schon so lange her ist“, sagt Adam. 

Auch beim Gemeinsamen Gutachterausschuss im Landkreis Esslingen ist die Grundsteuer aktuell das große Thema, und zwar nicht erst seit dem Versenden der Grundsteuerbescheide. Schon im Frühjahr 2023, als die ersten Grundsteuermessbescheide verschickt wurden, seien die zahlreichen telefonischen und schriftlichen Rückfragen kaum noch zu bewältigen gewesen, so Annik Mittelstädt, Leiterin der Geschäftsstelle. Derzeit lägen rund 300 Anträge für Gutachten vor. Mithilfe der Gutachten können Grundstückseigentümer überprüfen lassen, ob der tatsächliche Wert des Grund und Bodens vom festgestellten Grundsteuerwert abweicht. 

Nachfrage nach Gutachten hoch

170 dieser Anträge auf Gutachten seien zwischenzeitlich abgearbeitet worden, 130 seien noch offen, so Mittelstädt. Und es werden täglich mehr. „Am Anfang waren es zirka drei bis fünf Anträge pro Tag, jetzt hat sich die Anzahl nahezu verdoppelt“, sagt Annik Mittelstädt. Der Grund seien die von den Städten und Gemeinden veröffentlichten Hebesätze und teilweise auch die bereits versandten Bescheide. „Die Grundstückseigentümer können jetzt die tatsächlichen Veränderungen der Steuerlast und die künftigen Belastungen ersehen“, analysiert Mittelstädt den Anstieg.

Aufgrund der hohen Nachfrage geht der Gemeinsame Gutachterausschuss im Landkreis Esslingen aktuell von einer zirka sechsmonatigen Bearbeitungszeit aus. Allerdings rechnet Mittelstädt damit, dass die Zahl der angeforderten Gutachten weiter stiegen könnte. Deshalb wird intern geprüft, ob – zusätzlich zu einer bereits im Vorfeld geschaffenen zusätzlichen 100-Prozent-Stelle – weiteres Personal eingesetzt wird, um die Bearbeitungszeit nicht weiter steigen zu lassen. 

Widerspruch gegen den Grundsteuermessbetrag haben viele Grundstückseigentümer schon 2023 eingelegt. Der Verband Haus und Grund teilt auf Nachfrage mit, dass die Landesverbände und der Bund der Steuerzahler für Baden-Württemberg mehrere Musterklagen laufen haben, die allerdings in erster Instanz abgewiesen wurden. Die Revision läuft.