Mikroplastik ist in aller Munde. Glaubt man der Forschung, ist dieser Satz durchaus wörtlich zu verstehen. Plastikmüll belastet das Ökosystem nicht nur in Meeren, sondern auch zu Lande. In der Biomüll-Verwertung müssen Kunststoffe und organische Abfälle mit viel Aufwand getrennt werden, denn was Siebe nicht erfassen, landet möglicherweise in Gemüsegarten und auf Äckern von Landwirten - mit bisher kaum bekannten Folgen. 146 Stücke Mikroplastik pro Kilogramm Kompost haben Forscher der Uni Bayreuth in einer Anlage, die vor allem Grünschnitt und Bioabfälle aus Haushalten verarbeitet, in diesem Frühjahr entdeckt.
Ein Einzelfall oder die Normalität? Tatsache ist: Wie viel Geld und technischen Aufwand Anlagenbetreiber in die Trennung stecken, variiert gewaltig. 60 000 Tonnen Biomüll laufen im Kirchheimer Kompostwerk pro Jähr über die Bänder. Der Landkreis wirbt mit dem Siegel der regionalen Gütegemeinschaft für ein Qualitätsprodukt, für das er Geld verlangt. Das tun nicht alle Verwerter. „Mancherorts werden Landwirte und Privatkunden dafür belohnt, dass sie den Kompost abnehmen“, sagt Manfred Kopp, Geschäftsführer im Esslinger Abfallwirtschaftsbetrieb. Ein Problem, das Kopp nicht hat. Sein Produkt ist begehrt. Mehr als die Hälfte des Kirchheimer Komposts landet in Privatgärten, der Rest geht in den Landschafts- und Straßenbau. Weniger als fünf Prozent findet Verwendung in der Landwirtschaft. Zum Beispiel in Weinbergen im Remstal.
Dass man die Debatte in Kirchheim relativ gelassen verfolgt, hat andere Gründe. Der Entsorgungsbetrieb des Landkreises zählt zu den Musteranlagen im Ländle. Die seit 1. Juli geltenden verschärften Grenzwerte für das Kompost-Gütesiegel werden hier deutlich unterschritten. Demnach darf der Plastikanteil im Qualitätskompost 0,1 Prozent des Gesamtgewichts nicht überschreiten. Im Kirchheimer Werk sind es 0,04 Prozent. Kirchheimer Kompost entspricht damit den Anforderungen des Öko-Landbaus. Untersucht wird wöchentlich von unabhängigen Instituten. Die zusammengefassten Ergebnisse lassen sich online in einem Jahreszeugnis nachlesen.
Das alles kostet Geld. Für zwei Millionen Euro hat der Landkreis die Anlage vor eineinhalb Jahren mit einer dritten Reinigungsstufe nachgerüstet. Im sogenannten Siebüberlauf landen zahlreiche Folienpartikel, die ansonsten mit dem Kompost in die Umwelt gelangt wären. Die Grenzwerte hätte die Anlage damit trotzdem erfüllt. Auflage des Gesetzgebers sind solche Anstrengungen nicht. 700 Tonnen Kunststoff- und Holzrückstände werden jährlich aussortiert und im Müllofen in Stuttgart-Münster verbrannt. Eines ist klar: Restlos entfernen lässt sich das Mikroplastik nicht. „Die Technik hat hier Grenzen“, sagt Helmut Strauß, Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Kompost im Südwesten. „Wir stehen immer am Ende der Kette“, meint Strauß. „Dabei sollte man doch eigentlich vorne ansetzen.“ Haushalte über die Problematik aufklären, sagt er, sei in den vergangenen Jahren stark vernachlässigt worden.
„Der Schwabe hat‘s gern sauber“
Doch, wie kommt Plastik überhaupt in den Biomüll? „Der Schwabe hat‘s halt gern sauber“, meint Kompostwerk-Chef Manfred Kopp. In Tüten verpackte Abfälle sollen verhindern, dass die Tonne nach jeder Leerung gereinigt werden muss. Oft ist es Gleichgültigkeit, manchmal auch Unwissenheit.
So wie bei diesem Thema: Neben herkömmlichen Plastiktüten landen immer mehr Verpackungen im Biomüll, die von der Industrie als kompostierbar beworben werden (siehe Infoteil). Klingt prima, ist es aber nicht: Während der siebenwöchigen Rotteperiode im Kompostwerk zersetzt sich keines dieser Materialien, die in Optik und Konsistenz von normalem Plastik zudem nicht zu unterscheiden sind. Ein Problem, das in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, wie Kopp bestätigt. Was die wenigsten Müllsammler wissen: Plastiktüten sind im Kirchheimer Kompostwerk ganz offiziell verboten - ob biologisch abbaubar oder nicht.