Kirchheim
Händler bieten Lieferungen frei Haus an

Pandemie In der Coronakrise müssen viele Geschäfte schließen, wenn ihr Angebot nicht den täglichen Bedarf abdeckt. Beim Kirchheimer City Ring sind bis zu 800 Arbeitsplätze davon betroffen. Von Andreas Volz

In Kirchheim kann man derzeit die Kreativität der Einzelhändler bewundern: Ganz unterschiedlich in Form, Schriftart, Farbe und Format weisen sie in Schaufenstern und an Eingangstüren darauf hin, dass sie geschlossen haben. Sie leisten damit ihren Beitrag dazu, dass sich die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen oder zumindest verlangsamen lässt. Es bleibt ihnen aber gar keine andere Wahl: Nur einige wenige Branchen, die zur unmittelbaren Versorgung unabdingbar sind, dürfen ihre Geschäfte noch öffnen. Alle anderen müssen schließen. Für wie lange, kann augenblicklich niemand sagen.

Trotzdem verbreiten Kirchheims Händler Optimismus: Sie bedanken sich in ihren Aushängen bei den Kunden für deren bisherige Treue - und wünschen ihnen Gesundheit bis zur Wiedereröffnung der Läden. Viele Händler nennen auch Telefonnummern und E-Mail-Adressen, mit der Versicherung: „Wir sind für Sie da!“ Wer also weiß, was er will und braucht, kann telefonisch oder elektronisch bestellen und bekommt die Ware frei Haus.

Bei der kostenfreien Liefermethode handelt es sich auch um eine Art Appell an die Kundschaft, den bewährten Läden in der Innenstadt verbunden zu bleiben: Je länger die Schließung andauert, desto mehr Geschäfte dürfte es geben, die am Ende gar nicht mehr öffnen können. „Hinterher sieht unsere Handelslandschaft sicher anders aus“, meint Karl-Michael Bantlin, Vorsitzender des City Rings, der Gemeinschaft Kirchheimer Händler. Nicht nur die kleinen Einzelkämpfer seien es, die sich schwer tun: „Selbst bei den großen Ketten wird sich die Spreu vom Weizen trennen.“ Nicht alle haben Rücklagen. „Aber auch denen, die was auf der hohen Kante haben, geht es jetzt an die Substanz.“

Händler beantragen Kurzarbeit

Mit einem Virus, das das öffentliche Leben auf ein Minimum reduziert, könne man nicht rechnen, erklärt Karl-Michael Bantlin am Telefon: „Das ist völlig ungewohnt, total surreal. Man fragt sich morgens beim Aufstehen: ,Ist es wirklich so?‘ Leider ist jetzt schon klar, dass es viele Unternehmen gibt, die das nicht durchstehen werden.“ Auch für ihn selbst hat etwas Ungewohntes begonnen: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal mit Kurzarbeitergeld auseinandersetzen muss. Da sind wir jetzt aber gerade dran.“ Wie es auch von vielen anderen Händlern zu hören ist, zahlt Karl-Michael Bantlin seinen Mitarbeitern für März noch das volle Gehalt. Erst im April folgt die Kurzarbeit.

Was den Geschäften auf jeden Fall fehlt, sind die Umsätze, die ihnen jetzt entgehen. Wer dann noch Miete zahlen muss, hat bei fehlenden Einnahmen umso höhere Ausgaben. Viele Branchen haben es mit Saisonware zu tun. „Da sprechen wir gerade mit unseren Lieferanten, und die größeren kommen uns durchaus entgegen“, sagt Karl-Michael Bantlin. „Aber wenn man von drei Monaten ausgeht, fällt in der Modebranche der ganze Sommer weg.“

Drei Monate aber sind im Kampf gegen das Coronavirus so gut wie nichts. Die Einschränkungen dürften sogar eher länger dauern. Im Kampf ums wirtschaftliche Überleben sind drei Monate dagegen eine Ewigkeit. Beim City Ring mit seinen 110 Mitgliedern geht Karl-Michael Bantlin davon aus, dass 500 bis 800 Arbeitsplätze von den Ladenschließungen betroffen sind. Genauer kann er es noch nicht beziffern, weil ja auch Zeitschriften- und Lebensmittelhändler oder auch Friseure Mitglieder im City Ring sind und weil diese Läden offen bleiben dürfen.

Noch ist auch Karl-Michael Bantlin optimistisch. Er versucht sogar, Vorteile zu sehen: „Ich hoffe, dass wir alle hinterher wieder stärker geerdet sind, dass wir unser Anspruchsdenken herunterschrauben und erkennen, dass nicht alles selbstverständlich ist.“ Vielleicht lässt sich auch lernen, dass jeder mit seinem Tun für die Gemeinschaft verantwortlich ist.