Hölderlin würde dieses Jahr den 250. Geburtstag feiern. Deshalb ruft die Referentin der Württembergischen Landesbühne (WLB) die Stationen seines Lebens in „Hölderlin“ ins Gedächtnis.
Johann Christian Friedrich Hölderlin ist 1770 in Lauffen geboren. Er schlug auf Wunsch der Mutter die Laufbahn eines Pfarrers ein, mit Schulbesuchen in Nürtingen, Denkendorf und Maulbronn. Als Stiftler war er zuweilen Stubengenosse von Hegel und Schelling. Statt Pfarrer zu werden, ging er aber auf Empfehlung Schillers als Hauslehrer zu einer Familie nach Thüringen. Das ging pädagogisch schief. Er bildete sich philosophisch weiter, hörte Vorlesungen bei Fichte in Jena. Auch eine zweite Hauslehrerstelle beim Frankfurter Bankier Gontard endete abrupt, weil er sich in dessen Gattin Susette verliebte. Von einer letzten Hauslehrerstelle in Bordeaux kehrte er zu Fuß völlig verwirrt zurück, wurde zeitgemäß in Tübingen rabiat therapeutisch ruiniert, bis er bei einem Schreinermeister Zuflucht fand und noch 40 Jahre im Hölderlinturm lebte.
Immer wieder gibt es Geistesgrößen, die stark von dem Dichter beeinflusst sind. So auch Peter Weiss, der 1970 zum 200. Geburtstag ein Stück über Hölderlin geschrieben hat, das ganz dem Zeitgeist der 70er-Jahre entspricht. Der politische Schriftsteller Peter Weiss folgt der These, dass Hölderlins Wahnsinn gespielt war, um sich als Anhänger der Französischen Revolution zu verbergen.
Zum aktuellen Hölderlin-Jubiläum hat nun die WLB Esslingen dieses durch seine Knittelverse sprachlich spröde und seine politische Tendenz sperrige Stück aufgegriffen. In der Kirchheimer Stadthalle konnten die Besucher gespannt sein, wie sie damit umgeht. In dem Stück werden die Stationen von Hölderlins Leben aufgezeigt. Auch die aktuelle Frage, wie sich Intellektuelle angesichts von Umbruchzeiten gegenüber gesellschaftlichen Utopien verhalten, sind Teil der Inszenierung. Es stellt sich heraus, dass alle Dichter und Philosophen um Hölderlin herum, die sich unter dem Banner der „Freiheit“ versammelt hatten, sich später mit den Herrschenden arrangiert haben und gesellschaftliche Veränderungen auf eine ferne Zeit verschieben - jeder aus einem anderen klugen Grund. Alle, bis auf Hölderlin. Ob sein Wahnsinn gespielt ist, lässt das Stück offen.
Die Handlung bekommt einen festen Rahmen durch die Erweiterung der Rolle des Sängers: Als Bänkelsänger teilt er sie jetzt in Szenen ein, kündigt sie an und fasst sie zusammen. Die Lebensstationen Hölderlins werden alle in der gleichen Kulisse vorgeführt, einem von riesigen blauen Bücherwänden eingeschlossenen Raum, der gleichzeitig romantische Entrückung und Kälte ausstrahlt. Bei offenen Umbauten werden nur einige Sitzmöbel umgestellt und Kostüme gewechselt. Zwölf Schauspieler, darunter vier Schauspielschüler, spielen 44 Rollen. Damit das funktioniert, gibt es eine durchsichtige Plastikwand, die multifunktional verwendet werden kann. Wenn es darauf ankommt, trennt sie auch räumlich Hölderlin von Schiller und Goethe, vor allem aber den Liebenden von Susette. Das Requisit wird zum Käfig Hölderlins und schließlich zum Turm.
Die schwierige und vielschichtige Materie wird durch das Können der ganzen Esslinger Truppe mitreißend dargeboten. Man spürt, dass die WLB unter dem zurückgekehrten Intendanten Friedrich Schirmer aufgeblüht ist. Die Schauspieler verstehen ihr Handwerk, das ist auch in der Sprachbehandlung spürbar, geleitet von einem einfallsreichen Regisseur.
Herausragend die beiden Hauptakteure : Martin Theuer als Sänger mit Gitarre und der facettenreiche Marcus Michalski als Hölderlin. Um beide schart sich auf hohem Niveau die ganze Truppe. In der Kirchheimer Stadthalle gab es großartiges Theater zu sehen, und das wurde entsprechend gewürdigt.