Das war Liebe auf den ersten Blick, als die Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker die Ausstellungshalle des Kaninchen- und Geflügelzuchtvereins Kirchheim anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Vereins betrat. Sofort erzählte sie dem Vorsitzenden des Vereins, Stephan Tress, und dem Zuchtwart Marc Kohlrusch, dass Matt-Heideckers Großvater selbst Hasen gezüchtet habe.
Das Angebot, die Ausstellung anzusehen und über die dort ausgestellten Tiere mehr zu erfahren, nahm sie sofort an. Und tatsächlich gab es Spannendes beim Rundgang zu entdecken, unter anderem die „Araucana Hühner“, die grüne Eier legen, oder die „Russenhasen“, die ihre Fellfarbe von Weiß auf Schwarz ändern, wenn die Temperaturen kälter werden. Weiter wurden Nackthalshühner begutachtet, oder „Satin-Siam“-Hasen gestreichelt.
Dass Zuchtwart Marc Kohlrusch sein nicht ganz billiges Hobby am Herzen liegt, spürte man in jedem Satz. Er züchtet die Tiere nicht, um damit Profit zu machen. Ihm liegt der Erhalt vieler fast ausgestorbener Rassen am Herzen. Er investiert täglich mindestens zwei Stunden in das Hobby, füttert und streichelt die Tiere und hofft, dass mit seinen Neuzüchtungen einige Rassen erhalten bleiben. Dabei sieht er ein großes Problem: Nur noch wenige Menschen beschäftigen sich mit dem Hobby der Züchtung. Gerade beim Geflügel gibt es immer mehr Menschen, die nach der letzten Vogelgrippeperiode aufhören mussten, da sie die nötigen und wichtigen Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen nicht leisten konnten.
Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker zeigte sich beeindruckt von den Leistungen, die die Hobbyzüchter hier unter anderem für den Erhalt der Biodiversität und Artenvielfalt leisten. Kohlrusch berichtet, dass es durch die Landesregierung eine Förderung über das Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt gibt, mit dem Ziel, mindestens 20 neue Zuchten zu gewinnen (siehe Infokasten). Nachdenklich nahm die Oberbürgermeisterin auf, dass der Altersdurchschnitt des Vereins bei 65 Jahren liege, ein Problem, das viele Vereine haben. Spontan bot sie an, Kontakt zur Gruppe „Gemeinsam aktiv und nachhaltig in die Zukunft“ (G.A.N.Z.) herzustellen, die sich im Zuge der städtischen lokalen Agenda 2030 mit der Nachhaltigkeit beschäftigt.
Nach fast einer Stunde war der Rundgang beendet, gespickt mit vielen Informationen des Zuchtwarts. Für ihn und seinen Sohn David, der ebenfalls bei der Führung dabei war und stolz die einzelnen Tiere auf dem Arm präsentierte, ist die Hobbyzucht eine Herzensangelegenheit. Für ihn gibt es nichts Schöneres, als sich an den Tieren anderer Aussteller zu erfreuen oder sich im sich angrenzenden Garten, wo die Tiere leben, aufzuhalten.
Nach dem Rundgang ging es ins Zelt zum offiziellen Festakt. Was die Ehrenamtlichen hier leisten, würdigte Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker in ihrem Grußwort. „Kleinzuchtvereine leisten einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der biologischen Vielfalt unserer Tiere. Ich habe erfahren, wie viel persönlichen Gewinn es den Züchtern bringt.“ Zeitgleich zeigte sie sich erfreut, dass es dem Verein gelungen sei, zwei Weltkriege zu überdauern und heute noch so aktiv zu sein.
„Mit 125 Jahren ist Kirchheim einer der ältesten Vereine im Landesverband“, so der Vorsitzende des Landesverbandes der Rassegeflügelzüchter Hansjörg Opala. Er berichtete über die drei großen Gründungswellen, zwischen den Kriegen gab es eine Welle, um die Nahrung sicherzustellen, nach den Kriegen ging es ab den 50er-Jahren um das Hobby.
Im 19. Jahrhundert war es etwas ganz Besonderes: Rassegeflügel war was Exotisches, die Modewelle, die aus England kam, war hier eher selten und wurde meist von Lehrern, Pfarrern oder Unternehmern ausgeübt. Opala führte auf, dass es für ihn zwei wichtige Punkte zum Erhalt der Züchtervereine gibt, um in der heutigen, computerbezogenen Welt als Verein überleben zu können: Zum einen müsse man erfolgreiche Jugendarbeit machen und zum anderen bedürfe es einer Gemeinschaftszuchtanlage, denn es werde immer schwieriger, in Dörfern und Gemeinden Kleintiere und insbesondere Geflügel zu halten.
Auch Opala thematisierte die Biodiversität, also den Erhalt einheimischer Nutztierrassen, die in der konventionellen Landwirtschaft keine Chancen mehr haben. „Durch das Förderprogramm werden 40 gefährdete Rassen durch einen recht großzügigen Geldbetrag durch das Landwirtschaftsministerium unterstützt“, so Opala. Weiter ging er auf die größte Herausforderung für die Züchter, die Vogelgrippe, ein. Durch die Novellierung der Geflügelpestverordnung sei vieles besser geworden, wenn auch noch nicht alles optimal für die Züchter sei. Weitere Grußworte hielten Vertreter der Zuchtverbände aus Nürtingen und des Landesverbandes der Rassekaninchenzüchter.