Kirchheim
Hausärzte sind überlastet

Corona Hausarztpraxen kämpfen mit hoher Zahl an Covid-Patienten. Dazu kommt eine „Tumorwelle“. Von Antje Dörr

Kirchheim. Die Herbstwelle bringt die Hausarztpraxen in Kirchheim und Umgebung erneut an ihre Grenzen. Zum einen kämpfen die Praxen selbst mit Krankheitsausfällen, zum anderen ist die Zahl der Covid-Patienten stark angestiegen. Deren Versorgung gehe erneut zulasten anderer Patienten, Vorsorgeuntersuchungen müssten geschoben werden, sagt Dr. Wolf-Peter Miehe, Weilheimer Hausarzt und Sprecher der Kreisärzteschaft. 

In Reaktion auf die Herbstwelle habe seine Praxis die Infektsprechstunde, in der Patienten zeitlich und räumlich isoliert von anderen behandelt werden, massiv ausgeweitet. Von den Infektpatienten, die in die Sprechstunde kämen, hätten rund die Hälfte Covid, an manchen Tagen auch drei Viertel. Die große Mehrheit habe milde bis moderate Verläufe, wolle aber trotzdem untersucht werden. „Viele haben Angst. Sie wollen sichergehen, dass sie nicht in die Klinik müssen“, sagt Miehe. „Wir haben aber auch eine große Zahl an Patienten, die den PCR-Test schicken und die Krankmeldung abholen“. Das Verhältnis von Patienten, die in die Praxis kommen zu jenen, die die Krankheit zuhause auskurieren, schätzt Miehe auf 50:50. PCR-Tests würden nicht mehr standardmäßig gemacht. „Wenn jemand einen valide gemachten Antigen-Schnelltest dabei hat und die Symptome dazu passen, dann kann man sich das schenken“, sagt Miehe. 

Aufwändig sei auch die Behandlung gefährdeter Patienten. „Wir müssen regelmäßig die Entscheidung treffen, ob wir mit Paxlovid behandeln“, sagt Miehe. Das sei aufgrund der vielen Wechselwirkungen keine triviale Entscheidung. Mindestens die Hälfte der Patienten könne das Medikament nicht bekommen, weil es sich nicht mit ihrer Dauermedikation vertrage, zum Beispiel mit Cholesterinsenkern.

Zusätzlich sehen sich Hausärzte wie Wolf-Peter Miehe aktuell mit einer hohen Zahl an Tumorpatienten konfrontiert. Miehe spricht sogar von einer „Tumorwelle“. 2020 und 2021 habe es einen Rückgang von Tumorpatienten gegeben, aber das sei nur „ein Scheinrückgang“ gewesen. Zu Beginn der Pandemie hatten viele Menschen gezögert, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, aus Furcht vor einer Ansteckung mit Covid.

Die Nachfrage nach Corona-Impfungen beschreibt Miehe aktuell als moderat. „Die Nachfrage nach der Influenza-Impfung ist höher“, sagt der Hausarzt, der in diesem Herbst schon zwei Influenza-Patienten behandelt hat. Viele über 60-Jährige seien schon vier Mal geimpft. „Es gibt eine gewisse Nachfrage nach einer fünften Impfung mit dem Omikron-angepassten Impfstoff“, sagt Miehe. Bei den unter 60-Jährigen sei es eine Handvoll in der Woche, die eine vierte Impfung verlange. „Grundimmunisierungen machen wir keine mehr.“

Hüfte muss wieder warten

Kreis Esslingen. Die Medius-Kliniken müssen in der Herbstwelle Behandlungen verschieben. „Aktuell behandeln wir 88 Patienten, die Corona haben“, sagt Iris Weichsel, Pressesprecherin der Medius-Kliniken in Kirchheim, Nürtingen und Ostfildern-Ruit. Fünf dieser Patienten lägen auf der Intensivstation, drei würden beatmet. Der vorläufige Spitzenwert war schon letzte Woche erreicht, als knapp 100 Patienten behandelt und isoliert werden mussten. Die Medius-Kliniken unterscheiden nicht zwischen Patienten, die wegen Covid ins Krankenhaus müssen und solchen, bei denen Covid ein Zufallsbefund ist. Man gehe von 50:50 aus. „Der pflegerische Aufwand ist der Gleiche“, sagt Pressesprecherin Weichsel. Antje Dörr