Wird die behagliche Wohnung zum unbezahlbaren Luxus, welche neuen Pflichten erwarten mich und kann ich mir Klimaschutz überhaupt leisten? Das sind Fragen, die zurzeit viele Eigenheimbesitzer beschäftigen. Sonnenenergie und Wärmepumpen ersetzen in immer mehr Haushalten teuer eingekauften Strom und fossile Brennstoffe – mit Folgen für den Markt.
Gerald Quapil hat sich entschieden. Sein Ziel: möglichst unabhängig sein von fremder Energie und dabei langfristig Kosten sparen. Seit 1998 bewohnt der 59-Jährige mit seiner Frau und den drei inzwischen erwachsenen Kindern ein Einfamilienhaus aus den Sechzigerjahren am Fuße der Teck. „Als wir das Haus gekauft haben, stand im Keller ein gewaltiger Öltank“, blickt er zurück. Jahresverbrauch: 4000 Liter. Damals kein Grund für Kopfzerbrechen, heute schon. Explodierende Energiekosten, das Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab 2026 und der feste Wille, einen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu wollen, ließen die Familie bereits vor 15 Jahren über Alternativen nachdenken. Erst wurden Dach und Fassade gedämmt und dadurch der Heizölverbrauch mehr als halbiert. Irgendwann folgte Solarthermie zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung. „Das alles hat Vertrauen gegeben, dass unsere Theorie passt und wir den nächsten Schritt wagen können“, sagt Quapil.
Der nächste Schritt bedeutet: Im Keller sind in diesen Tagen die Handwerker mit dem Einbau einer Erdwärmepumpe beschäftigt. Die zwei Erdsonden unter der Garagenzufahrt sind bereits verlegt. Sie nutzen die Temperaturdifferenz in jeweils 120 Metern Tiefe, um diese Energie mittels einer Wärmepumpe in heißes Wasser zum Heizen und Duschen umzuwandeln. Dank überdimensionierter Radiatoren, wie sie vor Jahrzehnten noch üblich waren, soll die Heizungswärme auch ohne Fußbodenheizung für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreichen. Den Strom für die Pumpe liefert künftig eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Den Gesamtstrombedarf des Haushalts, der über 200 Quadratmeter Wohnfläche verfügt und zu dem auch ein E-Auto gehört, hat Gerald Quapil mit jährlich rund 9000 Kilowattstunden berechnet. Zwei Drittel seines Bedarfs hofft er mithilfe eines Batteriespeichers künftig selbst decken zu können. Die Gesamtsumme, die er bereit war, dafür zu investieren, liegt im oberen fünfstelligen Bereich.
Lieferfristen von einem halben Jahr
Wille, Mut und die finanziellen Mittel, um energetisch in die Zukunft zu schauen, sind das eine, einen Handwerker zu finden, der überdies noch liefern kann, ein ganz anderes Thema. Jochen Eberhardt ist seit 21 Jahren im Geschäft. Sein Heizungsfachbetrieb in Owen mit 15 Mitarbeitern hat sich auch in der Vergangenheit über Auftragsflauten selten beklagen müssen. „Was im Moment passiert“, sagt er, „habe ich allerdings noch nie erlebt.“ Knapp 70 Heizungen hat das Unternehmen 2021 ausgetauscht. In diesem Jahr vor Weihnachten noch einen Termin zu bekommen: unmöglich. Selbst wer es geschafft hat, braucht Geduld. Material und Bauteile, vor allem für Wärmepumpen, haben Lieferfristen von einem halben Jahr und mehr. Chipmangel bremst nicht nur die Autoindustrie, sondern auch die Heizungsbranche.
Handwerksunternehmer wie Eberhardt werden dadurch unfreiwillig zu Lageristen – vorausgesetzt man hat den Platz und kann es sich leisten, die Ware vorzufinanzieren. In seinem Fall heißt das: Die Anlagen, die in diesem Jahr verbaut werden sollen, hat er schon im Vorjahr bestellt und geliefert bekommen. Preissteigerungen von bis zu 15 Prozent inklusive. „Früher hast du Angebote geschrieben und die zwei Prozent notfalls geschluckt“, sagt er. Heute muss bis zur Auslieferung neu gerechnet werden, in manchen Fällen mehrmals. Eberhardt spricht von teils „utopischen Herstellerpreisen“, die er an seine Kunden weitergeben muss. Und dennoch: „Auf 95 Prozent unserer Angebote“, sagt er, „erhalten wir innerhalb einer Woche den Auftrag.“ Für ihn zeigt das: „Die Panik im Moment ist gewaltig.“
Fachkräfte sind Mangelware
Davon kann auch sein Kollege Frank Nothwang ein Lied singen. Sein Elektro-Fachbetrieb hat sich schon vor zwei Jahrzehnten auf Montage und Einrichtung von Photovoltaik-Anlagen spezialisiert. Wer heute bei ihm anruft, erhält nicht vor September ein erstes Beratungsgespräch. Frühester Liefertermin: 2023. Mehr als 30 offene Aufträge stapeln sich bei ihm auf dem Tisch. Der Acht-Mann-Betrieb arbeitet seit Langem am Limit. An gute Fachkräfte zu kommen, ist derzeit noch schwieriger als an Sonnen-Kollektoren, die heute zu fast 90 Prozent aus Fernost stammen. Oft sind es nur Details wie Halterungen oder spezielle Dachziegel, die fehlen. „Wir haben Lieferungen ausstehen, die teilweise noch vom vergangenen Herbst datieren“, sagt Nothwang. Die steigenden Strompreise haben dem überhitzten Markt seit Jahresbeginn noch einmal einen kräftigen Schub verpasst. Wachsende Verunsicherung und der Krieg in der Ukraine, ist Nothwang überzeugt, verstärken den Wunsch vieler Eigenheimbesitzer nach Unabhängigkeit vom Netz. Den Wegfall der lukrativen Einspeisevergütung hat dies längst kompensiert. Heute entscheidet sich kaum mehr ein Kunde für eine PV-Anlage, ohne einen Batteriespeicher gleich mit zu bestellen.
Wärmepumpen in Verbindung mit Solarstrom, das ist auch für Heizungsexperten wie Jochen Eberhardt die Zukunft. Eine Kombination, die inzwischen 95 Prozent der Neubau-Installationen betrifft. Zwar entscheiden sich noch immer 70 Prozent seiner Kunden beim Heizungstausch für eine Pelletsheizung, weil Altbauten für Wärmepumpen mit geringer Vorlauftemperatur wenig geeignet sind. „Wenn eine verbesserte Technik hier irgendwann höhere Temperaturen ermöglicht“, sagt der Fachmann, „dann ist auch die Pelletsheizung tot.“
Interview: „Weg von fossilen Brennstoffen“
Viele Hausbesitzer stecken in einem Dilemma: Ihre Heizung ist veraltet, Öl und Gas werden immer teurer, für eine umfassende Modernisierung fehlt das Geld oder sie ist aufgrund der baulichen Gegebenheiten unwirtschaftlich. Was also tun? Das wollten wir von dem Lenninger Architekten und Energieberater Jürgen Rieschl wissen.
Herr Rieschl, 40 Jahre altes Haus, defekte Ölheizung, knappes Budget – Wozu würden Sie dem Besitzer raten?
Jürgen Rieschl: In diesem Fall wohl am ehesten zu einer Pellet-Anlage. Sollte der Heizkessel mit einer Vorlauftemperatur von unter 50 Grad zu betreiben sein, etwa durch entsprechende Dämmung und ausreichend große Heizkörper, käme auch eine Heizwärmepumpe infrage. Das knappe Budget kann mittels sehr guter Förderbedingungen aufgefangen werden, die je nach Standard bis zu 55 Prozent der Investitionskosten abdecken. Beide genannten Varianten erfüllen die Bedingungen des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes Baden-Württemberg aus 2015.
Was sind die wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Wahl einer neuen Heizung?
Rieschl: Auf jeden Fall weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Allerdings muss die Heizung auch zum jeweiligen Gebäude passen. Mit Blick auf die thermische Hülle, also welche Dämm-Maßnahmen sinnvoll oder möglich sind. Aber auch mit Blick auf Lagermöglichkeiten, etwa für Pellets. Letztlich spielen auch die Gewohnheiten und Komfortwünsche der Bewohner eine Rolle.
Mit welcher Technologie sind Eigenheimbesitzer langfristig auf der sicheren Seite?
Das ist eine Frage, die im Moment viele gerne beantwortet hätten. Meiner Meinung nach gibt es darauf zurzeit aber keine einzige seriöse Antwort.
Für wen rechnet sich eine Photovoltaikanlage, deren Strom man selbst nutzen will?
Dafür gibt es ein paar Faustformeln: Die Leistung der Anlage sollte mindestens 0,5 Kilowatt pro 1000 Kilowattstunden jährlichem Strombedarf betragen. Die nutzbare Speicherkapazität sollte dem ebenfalls entsprechen und bei maximal 1,5 Kilowattstunden je 1000 Kilowattstunden verbrauchtem Strom pro Jahr liegen.
Eigentümer mit Sanierungsstau und hohen Energiekosten geraten zurzeit in Panik. Berechtigterweise oder beruhigt sich der Markt?
Der Markt wird sich sicher irgendwann wieder beruhigen. Dafür braucht es allerdings einen langen Atem. Bernd Köble