Kirchheim. Gefühlt mit viel mehr erfüllter Zeit als einer Stunde wurde die Zuhörerschaft am Samstagabend beschenkt, die sich im Yogaraum der Volkshochschule im Spital eingefunden hatte. Dr. Bernhard Moosbauer, der in Kirchheim ansässige Musikwissenschaftler und freischaffende Musiker, hatte ein sehr ansprechendes Programm zusammengestellt.
Heinrich Heines ironisch-scharfzüngige und detailverliebte Erinnerungen an Hamburg bildeten den literarischen Schwerpunkt, Violinwerke des großen Barockkomponisten Georg Philipp Telemann markierten den musikalischen Kontrapunkt. Heinrich Heine, 1797 in Düsseldorf geboren, war zwischen 1815 und 1831 dreizehnmal in Hamburg, insgesamt etwa sechs Jahre in der Hansestadt. In seinem Onkel Salomon fand er einen dauerhaften Mäzen, der ihn zunächst erfolglos zu einer Banklehre überredete, später aber die literarischen Ambitionen seines Neffen finanziell unterstützte. Heine schrieb seine Eindrücke von der Hansestadt und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern in den „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ nieder, publiziert 1834. Pointiert und nuanciert rezitiert von Bernhard Moosbauer, wurden die oftmals mit deftigen und ironischen Worten beschriebene Bürgerschaft oder Verwandtschaft nebst Haustieren zum prallen Leben erweckt. Von den skizzierten Personen oder einem „Lob auf das Rauchfleisch“, von Gesellschaftsdamen, die einer Hinrichtungsmaschine gleich, gute Namen vernichten können, bis hin zu Essgewohnheiten der Hamburgerinnen und Hamburger, bei denen „der Liebesgott Amor wohl schon gelegentlich mal den Magen treffe statt des Herzens“, reichte der illustre Erzählbogen.
Kompetenter Interpret
Musikalisch meldete sich der barocke „Tausendsassa“ Telemann immer wieder zwischen den Buchausschnitten zu Wort. 1721 nach Hamburg gekommen, blieb er – mit Unterbrechungen, darunter einer ausgedehnten Konzertreise nach Paris – der Stadt bis zu seinem Tode 1767 verbunden. Aus seinem äußerst umfangreichen Schaffen erklangen Sätze aus den zwölf Fantasien für Solovioline, aus Suiten sowie die „Polonaise aus der h-Moll Suite von Johann Sebastian Bach. Die vielfältigen, kontrastreichen musikalischen Einfälle und Formen mit Anlehnung an die damals populäre französische Opernouvertüre oder an Tanzsätze fanden in Bernhard Moosbauer an der Barockvioline einen idealen und kompetenten Interpreten. Unterschiedliche Tonarten und Tongeschlechter, Ausdrucksaffekte, Echowirkungen, Tempi und spieltechnische Herausforderungen wie Doppelgriffe, Tonsprünge oder rasante Läufe wurden meisterhaft dargeboten und ließen die Musik des Barocks lebendig werden. Seinem Ruf als Sachwalter für nicht mehr im heutigen Rampenlicht stehende Musiker wurde Dr. Moosbauer mit einem Werk des weitgereisten Violinvirtuosen Johann Schop gerecht, der als Leiter der Ratsmusik 1621 ebenfalls eine enge Verbindung zur Hansestadt aufwies. Ein beschwingter Prestosatz von Telemann beschloss den Abend. Winfried Müller