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Herr Kenner hat was zu erzählen

Der Landtagsabgeordnete Andreas Kenner zeigt gerne seine humoristische Seite.

Bei Stadtführungen in Kirchheim ist Andreas Kenner in seinem Element. Archivfoto: Markus Brändli

Braucht man Humor, um Politik zu machen? „Es hilft“, stellt Andreas Kenner fest, der in Kirchheim schon seit seiner Jugend „Anne“ Kenner heißt. Er ist da in seinem Element – der SPD-Landtagsabgeordnete zeigt kabarettistisches Talent, wenn er zu „Kenner trinken Württemberger“ einlädt wie kürzlich im Teckkeller in Kirchheim.

Inmitten von Menschen fühlt „Anne“ Kenner sich wohl, unterhält sich, erzählt Geschichten. Das tut er bei Stadtführungen in Kirchheim, die er gern auch speziell für Pflegeheimbewohner und -bewohnerinnen im Rollstuhl anbietet, als Redner bei Veranstaltungen oder auf der Bühne im Biergarten. Wobei „auf der Bühne“ die Sache nicht ganz trifft: Dort sitzen die Musiker, die mit ihm auftreten, in diesem Fall Werner Dannemann und Calo Rapallo. Kenner selbst steht zwischen den Tischen und Stühlen, inmitten der Zuschauer. Und damit, wie er feststellt, inmitten des demografischen Wandels. „Die meisten dürften über 65 sein“, sagt er mit Blick rundum. Das stört ihn, selbst 67 Jahre alt, überhaupt nicht. Er freut sich übers dankbare Publikum; dass Jüngere deutlich schwieriger zu mobilisieren sind, weiß er von seinem Format „Pizza & Politik“.

 

Ich bin ja froh um jede Wirtschaft, die‘s noch gibt.

Andreas Kenner

 

Im Teckkeller sind an diesem Abend keine Reservierungen mehr möglich, wer auf gut Glück kommt, findet noch ein Plätzchen. „Ich bin ja froh um jede Wirtschaft, die‘s noch gibt“, sagt Kenner und erntet dafür viel Beifall. Das Problem sei: „Immer mehr Menschen wie ihr und ich haben immer mehr Zeit und gehen gern fort. Bloß gibt’s niemand, der uns bedient.“ Vielleicht sollte man ein rollierendes System einführen: sich einen Tag bedienen lassen und am nächsten selbst andere bedienen. Trotz des Augenzwinkerns dahinter ist das typisch für den Pragmatiker Kenner, der auch mal beim Rolling-Stones-Konzert jungen Leuten rät, etwas von ihren Joints abzugeben, damit sie mengenmäßig im juristisch tolerierten Bereich bleiben. So zumindest erzählt das der sozialpolitische Sprecher der SPD im Landtag.

Kultur ist schon immer sein Steckenpferd

Kultur ist schon immer ein Steckenpferd des Kirchheimers, 30 Jahre lang war er als Vorstandsmitglied des Club Bastion aktiv. Mit „Kenner trinken Württemberger“ tritt er einmal jährlich auf. Begonnen hat das, als der ausgebildete Altenpfleger noch im Sozialpsychiatrischen Dienst in Esslingen arbeitete und die Alzheimer-Sprechstunde leitete. Im Zuge der ersten Esslinger Demenzkampagne sprachen ihn die Programm-Macherinnen an. „Die wollten was, wo sie dachten, da kommen auch Männer“, erinnert er sich. Sein humorvoller Blick aufs ernste Thema kam gut an, seither entwickelt er das Programm bei den jährlichen Auftritten weiter, den Absurditäten des Alltags auf der Spur. Die begegnen Andreas Kenner im Freibad, wenn die ältere Schwimmerin großzügig anbietet, ihm in drei Minuten „ihre“ Bahn zu überlassen, ebenso wie in der Politik.

Wenn Kenner sich über Jetzt-komm-ich-Attitüden auslässt, ist das nie peinlich, weil er authentisch und geradeheraus seine Meinung sagt. Und weil er sich nicht nur über andere äußert, sondern auch zu ihnen – egal, ob es Jugendliche oder Vertreter der eigenen Generation sind.

Auch beim Abend im Teckkeller gehen Pointen und launige Sprüche Hand in Hand mit ernsthaften politischen Themen. Am Ende hängt ja doch alles zusammen im Leben, zumindest in dem von Anne Kenner. „Wenn du so lange wie ich in der Alterspsychiatrie geschafft hast, dann kommst du auch im Landtag besser klar“, sagt er.