Es war ein besonderer Moment: Nach dem Konzert in der Kirchheimer Martinskirche zogen Ausführende und Publikum mit dem ostinat gesungenen Schlussmotiv „Perpetua“ aus Andrew Lloyd Webbers „Requiem“ aus der Kirche. Als der Gesang auf dem Vorplatz verklungen war, sprach Pfarrer Jochen Maier den Abschlusssegen und schloss die Kirchentür symbolisch zu: Wegen einer umfassenden Renovierung wird die Martinskirche für mindestens ein Jahr geschlossen bleiben.
Zuvor hatten sich die musikalischen Gruppen der Martinskirche unter dem Motto „Herr, es ist Zeit“ mit einem stilistisch breit gefächerten Programm von „ihrer“ Kirche verabschiedet. Nach dem Schlussakkord der von Esther Park zur Eröffnung mit volltönendem Registereinsatz gespielten Orgelfantasie g-Moll von Johann Sebastian Bach machte der Chor der Martinskirche mit dem musikalischen Exequium „Herr, wenn ich nur dich habe“ des vor 350 Jahren verstorbenen Heinrich Schütz einen Abstecher in die Klangwelt des Frühbarocks.
Der von der Truhenorgel aus leitende Bezirkskantor Ralf Sach – er hatte die musikalische Verantwortung für den Abend – führte seine Choristen mit klarer Zeichengebung. Seine Impulse setzte der Chor treffend um: überzeugend in der Linienformung und mit einem fein strukturierten Klangbild.
Modernere Töne blies das Flötenensemble in den Kirchenraum. In den Variationen über das alpenländische Volkslied „Der Hirt von Crumau“ mischte Martin Gümbel avantgardistische Töne mit traditioneller Melodik. Heraus kamen dabei Klänge von eigenartigem Reiz. Das Blockflöten-Sextett zeigte sich mal tänzerisch, mal virtuos, dann in dialogischem Wechselspiel parlierend und gelegentlich mit schroffen dissonanten Reibungen aufschreckend.
Vorschau auf den Umbau
Untermalt von einer Videopräsentation gab Pfarrer Jochen Maier eine Vorschau auf den anstehenden Umbau der Martinskirche. „Es ist wie bei einer Raupe: Sie entpuppt sich und wird zu einem wunderschönen Schmetterling“. Der Kirchenraum soll heller, moderner und funktionaler werden. Zu einem Raum der Stille wird die Sakristei umgebaut, und ergänzend zu den künftig im vorderen Kirchenschiff um einen Mittelgang aufgestellten Stuhlreihen wird es nur im hinteren Teil Bänke geben. Da in den 60 Jahren seit der letzten Renovierung vieles veraltet ist, wird neben der Lichtsteuerung auch die technische Ausstattung auf den aktuellen Stand gebracht.
Zum Wechsel von Alt zu Neu passte die Thematik von Andrew Lloyd Webbers „Requiem“. In seiner dem verstorbenen Vater gewidmeten Totenmesse ist die Musik für den Musical-Komponisten ein Mittel der Auseinandersetzung mit Vergangenem. Von Ralf Sach routiniert geführt, setzte sich der Kirchheimer Kammerchor – unterstützt von Bläserinnen und Bläsern der Stadtkapelle Kirchheim – engagiert und ausdrucksstark mit Lloyd Webbers irisierenden Klängen auseinander, die mit der Ohrenschmausigkeit seiner Musicals nichts gemein haben.
Mareike Bender und Sofia Neroladakis setzten die eindringliche Tonsprache adäquat um: Mit dem angenehmen Timbre ihrer Sopranstimmen gaben sie den Vokalsoli Kontur. Im gut abgestimmten Zusammenwirken von Kammerchor, Bläsern, Klavier und Orgel entfaltete Andrew Lloyd Webbers „Requiem“ eine intensive Klangwirkung, die beim Publikum lange nachhallte.