Bereits im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Scharm El-Scheich häuften sich die Meldungen über Attacken auf Gemälde in Kunstmuseen. Es sind überwiegend junge Klimaaktivisten, die berühmte Werke ins Visier nehmen. Erbsensuppe oder Kartoffelbrei landen auf Arbeiten von Goya oder Monet. Stets schützen Glasscheiben die unersetzlichen Bilder. Die Reaktionen sind ambivalent. Barbarische Bilderstürmerei oder werbewirksamer Protest im digitalen Zeitalter? Wie denken regionale Kunstschaffende darüber?
„Das widerstrebt mir sehr“, sagt die Kirchheimer Künstlerin Kerstin Starkert, „hier wird Kultur mit Füßen getreten.“ Trotz der schützenden Glasscheibe handle es sich um einen zumindest symbolischen Akt der Beschmutzung. Gerade für ernsthaft arbeitende Künstler, die in ihren Werken ihr Innerstes nach außen kehrten, seien derartige Aktionen nur schwer zu ertragen.
Zwar werde für die wichtigen klimapolitischen Fragen mediale Aufmerksamkeit generiert, in Starkerts Augen geschieht dies jedoch in negativer Form: „Mag sein, dass die Tat für die jungen Protestierenden selber einen befreienden Effekt hat.“ Die Aktionen könnten aber auch abschreckend wirken, sich gar ins Gegenteil verkehren: „Die erzeugte Irritation ist nicht steuerbar, daher der Sache nicht dienlich“, meint sie.
Dabei könnte die geballte Energie der Klimaaktivisten doch so viel fruchtbarer kanalisiert werden: „Das Medium Kunst bietet ein breites Spektrum an Ausdrucksformen. Damit können wir bewegen und Dinge erlebbar machen. Warum hier nicht Räume schaffen?“, regt Starkert an. Aus ihrer kunsttherapeutischen Arbeit weiß sie, dass ökologische Themen bei jungen Menschen hoch im Kurs stehen und kreativ umgesetzt werden. Kunstschaffenden spricht sie eine große gesellschaftliche Verantwortung zu, insofern diese das Privileg hätten, Anliegen nach außen zu tragen. Im Gegensatz zu den Museumsaktionen, die das fertige Objekt zum Mittel des Protestes nehmen, geht es Starkert um ein prozesshaftes Verständnis von Kunst. Kunst als Einladung, die Welt einmal anders zu sehen, könne weitreichende Impulse geben: „Wenn wir uns ernsthaft mit der Kunst und unseren Themen auseinandersetzen, dann können wir Menschen bewegen und inspirieren“, ist sich Starkert sicher.
Geradezu persönlich betroffen zeigt sich der Dettinger Galerist Wolfgang Diez: „Ein Museum mit alten Meistern ist für mich ein totaler Magnet, das ist meine Kirche“, sagt der studierte Maler. Als kunstbegeistertem Menschen hätten ihn die Attacken emotional mitgenommen. Die gewählte Protestform findet er unsinnig: „Die Aktivisten schaden der Kunst und outen sich als Banausen.“ Auch dass die Gemälde hinter Glas seien, ändere nichts daran, dass sie für ideologische Zwecke missbraucht würden. Anders als Greta Thunberg, die die Weltöffentlichkeit eindringlich erreicht habe, brächte die „letzte Generation“ die Gesellschaft gegen sich und ihr berechtigtes Anliegen auf. Ihre eigenen Forderungen unterwanderten sie durch das erzeugte öffentlich Negativimage: „Ein Anschlag auf die Kunst trifft das Falsche, das ist ein böses Eigentor.“ Setze sich doch die Kunst selbst dafür ein, den Menschen für die Natur die Augen zu öffnen. „Kunst ist eine kritische Mahnerin bezüglich Industrialisierung und Naturzerstörung“, betont Diez. Exemplarisch verweist er auf Joseph Beuys, der auf der „documenta“ 7000 Eichen pflanzen ließ: „Künstler sind selbst Aktivisten. Beuys hat körperliche Schmerzen auf sich genommen, um das Naturbewusstsein zu fördern.“ Mit einer solchen Strategie könne man Menschen auf positive und reflektierte Weise ansprechen.