Kirchheim. Im Jahr 2012 erschien ein Roman, der von einem wahnwitzigen Plot lebt: Hitler wacht im Jahr 2011 in Berlin auf einer Wiese auf und erobert die heutige Medienwelt. Man kann es nicht so richtig nachvollziehen: das Debütwerk des deutsch-ungarischen Journalisten Timur Vermes katapultierte sich sofort auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste und blieb dort 20 Wochen lang, es wurde zweimillionenfach verkauft und vielfach übersetzt. Taschenbuch und Hörbuch waren selbstverständlich, nicht aber auch noch eine publikumswirksame Verfilmung 2015. Da konnten Theaterfassungen nicht ausbleiben.
Nach dem Erwachen Hitlers kann sich die Handlung am Leben erhalten, weil er von seiner neuen Umwelt jetzt als Comedian angesehen wird, der seine Rolle perfekt spielt. Das reibt sich komödiantisch mit dem wiederauferstandenen Hitler, der keine andere Identität kennt. Zum Lachen reizt auch Hitlers Staunen über die moderne Welt mit den vielen Türken, dem Fernsehen und den Smartphones. Als Schauspieler instrumentalisiert macht er Karriere in Fernsehshows, bei denen nicht die Qualität, sondern nur die Quote zählt. Hitler begreift, dass ihm dieses Medium sein Propagandaministerium ersetzen kann.
Wie ist es also: Vermes schreibt eine gesellschaftliche Satire auf die heutige Zeit und ihre Medienlandschaft und fördert auch noch einen braunen Bodensatz zutage, denn selbst die NPD ist für den „Führer“ zu lasch. Somit ist man wohl dem Grund für Vermes‘ fulminanten Erfolg auf der Spur. Er will eine Satire auf die quotengeilen Medien schreiben, gleichzeitig schwimmt er doch selbst auf der quotenträchtigen „Hitleritis“ der Medien. „Hitler sells“ muss selbst die Redakteurin der israelfreundlichen Bild-Zeitung zugeben. Auch diese sonst allmächtige Zeitung muss ihm ein Interview geben und kann ihn nicht „abschießen“.
Schauspieler in Mehrfachrollen
Das Landestheater Dinkelsbühl hat mit einer Theaterfassung also „taufrische“ Literatur in die Stadthalle gebracht - eine gewaltige Kraftanstrengung für ein kleines Theater. Wie schultert man diese Aufgabe? Die Lösung ist: Von dem fünfköpfigen Ensemble spielen vier Akteure Mehrfachrollen, nur Hitler bleibt Hitler. Das Problem mit den vielen Orts- und Szenenwechseln wird mit aufklappbaren mobilen Bühnenkästen pfiffig gelöst. Und die Außenwelt wird mit Projektionen und akustischen Einspielungen hereingeholt. Das Brandenburger Tor und Wagnermusik dürfen dabei nicht fehlen.
Hitler erwacht also. Der Darsteller redet los, mit der bekannten Körpersprache, die er fleißig studiert hat, aber - man versteht ihn anfangs fast nicht. Mag die Beeinträchtigung durch den imitierten Sprachduktus Hitlers mit dem rollenden „R“ mitspielen, die immer wieder zu beklagende Akustik der Stadthalle trägt sicher auch noch ihr Scherflein dazu bei. Wenn einer der Spieler einen Dialekt imitiert, wird die Verständigung noch einmal schwieriger. Nach der Pause war die Akustik etwas besser.
Der wiederauferstandene Hitler wird Stargast sogar in einer Show, die von einem türkischstämmigen Comedian moderiert wird. Damit ist der Plot und das Hitlergehabe allerdings ausgereizt.
Die Problematik, dass über den Menschenschlächter Hitler gelacht wird, steht auch im Raum. Die Theaterfassung entscheidet sich wohl deshalb für ein anderes Ende als die Romanvorlage. Nach der Pause ist Schluss mit lustig. Den Mitmenschen wird Hitler als Verbrecher bewusst und er verzieht sich endgültig und verschwindet die Bühnentreppe hinunter durch den Seitenausgang. Das Publikum ist jetzt doch betroffen. Es belohnt die Truppe, die sich tapfer durch die Rollen gekämpft hat, mit nachhaltigem Applaus.