Eine Gruppe von Eltern aus Nabern, die anonym bleiben möchte, befürchtet, im nächsten Jahr ohne Kindergartenbetreuung dazustehen. „Es ist jetzt schon schlimm: Es gibt wöchentlich, manchmal täglich Teilschließungen. Wenn im nächsten Frühjahr noch drei Erzieherinnen gehen, wird es richtig schwierig.“ Bereits seit Januar diesen Jahres sei der Personalmangel im Ü3-Bereich deutlich zu spüren. Eine Mutter schildert ihren Morgen: „Ich schaue aufs Handy – keine Nachricht. Trinke Kaffee. Keine Nachricht. Esse. Schaue aufs Handy – keine Nachricht. Mache meine Kinder fertig. Keine Nachricht. Dann fahre ich los. Und dann hängt am Kindi ein Zettel, auf dem steht, dass meine Kinder heute leider nicht betreut werden können.“
Die Lage sei für die Eltern schon belastend, für die Kinder aber noch mehr. „Sie bekommen die Anspannung auch dann mit, wenn man versucht, es zu verbergen“, sagt eine Mutter. Es sei ein immenser Druck, da auch vielen Arbeitgebern das Ausmaß der Teilschließungen nicht bekannt sei und das Verständnis irgendwann ende. Aus der Sorge um den Job werde schnell die Sorge um die gesamte Existenz.
Die Kinder bekommen nicht nur die Anspannung zuhause mit, sondern müssen auch mit dem stetig wechselnden Personal zurechtkommen. „Das soll jetzt nicht falsch rüberkommen: Wir sind um die Springer unendlich froh, aber für die Kinder ist der Wechsel schwer“, sagt eine Mutter. Sie müssten sich ständig auf neue Personen einlassen. „Mein Kind hat seit einer Woche Bauchweh und hat sich neulich Nacht eingenässt.“ Die Kinder wüssten nicht, was passiert – ob ihre Freunde da sind oder ob diese zu denen gehören, die daheim bleiben müssen.
Welches Kind kommen darf und welches nicht, entscheide oft das Elternwettrennen. „Am Anfang galt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sagt ein Vater. Dann gab es Gruppen nach Zahlen, später nach Farben, mal sollten Geschwister zusammen kommen dürfen, dann wieder nicht. „Die Gruppen waren zwar grundsätzlich eine gute Idee, haben aber auch nicht immer funktioniert“, so dieser. Kam die Krankmeldung einer Erzieherin erst später am Morgen, seien mache Kinder schon dagewesen und konnten auch nicht wieder heimgeschickt werden, – „dann waren wir wieder beim Wettrennen.“ Die Abweisung an der Tür würden die Kinder außerdem oft auf sich selbst beziehen. Manchmal würden die Kinder auch von den überlasteten Eltern ausgeschimpft: „Weil du getrödelt hast, darfst du jetzt nicht rein.“
So fühlen sich die Eltern
„Wir haben das Gefühl, dass es einfach nicht vorangeht und viele Bemühungen der Stadt Kirchheim ins Leere laufen. Das ist sehr zermürbend. Wir fühlen uns machtlos.“ Die Eltern hätten auch schon angeboten, Opas und Omas zum Lesen einzuladen oder für Instagram ein Stellenangebot zu erstellen. Bei der Stadt Kirchheim sei das abgelehnt worden. „Die Naberner Eltern sind sehr engagiert. Wir wollen was bewegen, werden von der Stadt aber ausgebremst“, sagt eine Mutter. In Zeiten des Fachkräftemangels wünschen sich die Eltern mehr Einsatz von der Stadt. Erzieherinnen und Erzieher könnten sich aussuchen, in welche Kita sie gehen – Kirchheim solle mehr dafür machen, um für Arbeitnehmer attraktiv zu sein, so eine Mutter.
Ein Verbesserungsvorschlag der Eltern lautet: den neuen Kindergarten auf der Website der Stadt zu platzieren. Hier gebe es nur Bilder und Infos zum alten Kindergarten. Auch offene Stellen sollten prominenter ausgeschrieben werden. Diese zu finden sei nicht leicht – selbst wenn man danach suche. So stünden sie nicht unter Stellenangebote, sondern unter Initiativbewerbungen. Dort würden die wenigsten suchen. Auch die Sozialen Medien sollten aus Sicht der Eltern in die Stellensuche eingebunden werden.
Bei aller Unsicherheit steht eins in den Augen der Eltern fest: Der Kindi in Naber sei ein wirklich tolles und vor allem sehr modernes Haus. „Wir wünschen uns, dass neue Erzieherinnen oder Erzieher nach Nabern kommen, die das Haus nach ihren Ideen mitgestalten. Wir freuen uns über jeden, der kommt, und rollen den roten Teppich aus“, sagt eine Mutter. Am Samstag, 16. November, sei im Naberner Kindergarten Tag der offenen Tür. Dort kann sich jeder ein Bild von der neuen Einrichtung machen.
Stadt bezieht Stellung
Bürgermeisterin Christine Kullen bittet um Verständnis: In der Erkältungszeit sei es schwierig die Krankenausfälle alle aufzufangen. Dennoch ergreife die Stadt alle ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen. So habe Kirchheim einen Springerkräftepool, aus dem Personal im Krankheitsfall eingesetzt werden kann. Auch das Team in Nabern habe die Möglichkeit bekommen, die Stunden aufzustocken. Und aus anderen Kitas werde Personal in Nabern eingesetzt.
Dennoch sei es schwer jeden Fall aufzufangen. Es komme auch vor, dass mehrere Erzieherinnen aus einem Team krank sind. Erschwerend komme hinzu: „Manchmal entscheidet es sich über Nacht, ob eine Erzieherin am nächsten Tag arbeiten kann.“ Dann müsse sehr schnell eine Alternative gefunden werden, so kurzfristig sei das nicht immer möglich. Teilschließungen würden sich daher nicht immer verhindern lassen. Dennoch konnte es die Stadt Kirchheim bislang abwenden, auf eine dauerhafte Kürzung der Betreuungszeiten zurückzugreifen.
So leid der Bürgermeisterin die Situation auch tut, möchte sie darauf hinweisen, dass es den Kindergarten in Nabern nicht härter treffen würde als andere Kitas. Aufgrund des Fachkräftemangels gebe es jeden Tag in Kirchheim rund zwei Teilschließungen. Dennoch stehe die Stadtverwaltung mit den Eltern in Kontakt, um diesen die Sorgen so gut es gehe zu nehmen.
Das sagt die Stadt Kirchheim
Antwort
Aus der Pressestelle der Stadt Kirchheim heißt es: „Für den Kindergarten in Nabern gab es bereits im September Ausschreibungen und Bewerbungsgespräche. Derzeit laufen verschiedene Gespräche für die offenen Stellen, und es ist davon auszugehen, dass diese rechtzeitig besetzt werden können.“
Aktualität der Website
„Informationen zu neuen Kindergärten werden sukzessive ergänzt. Zur feierlichen Eröffnungsfeier der Kindertagesstätte in Nabern werden diese auch auf der Website aktualisiert.“ Elterninitiativen „Die Stadt begrüßt Initiativen und ehrenamtliches Engagement und stand hierzu bereits mit den Eltern in Kontakt. Eine Ablehnung des Angebots von Lese-Omas und -Opas ist uns nicht bekannt. Aktuell werden neue Social-Media-Anzeigen geschaltet, die auf die Berufsgruppen abgestimmt sind.“
Stellen
„Die Stadtverwaltung setzt mit gezielten Stellenausschreibungen für pädagogische Fachkräfte in spezifischen Kindertageseinrichtungen sowie mit Initiativbewerbungen an zwei Punkten an, um ein breiteres Bewerberfeld anzusprechen. Bei konkreten Ausschreibungen, die immer wieder erfolgen, so auch für Nabern, wird dann gezielt für eine Einrichtung geworben.“
Bemühungen
„Die Stadt Kirchheim setzt sich aktiv für die Fachkräftegewinnung ein und hat dafür eine entsprechende Kampagne gestartet, die kürzlich bekannt gemacht wurde. Arbeiten bei der Stadt ist nie ,oder’ sondern immer ,und’. Die Kampagne dient dem Imageaufbau der Stadt als moderner und zuverlässiger Arbeitgeber und stellt insbesondere die Vorteile in den Vordergrund, die die Stadtverwaltung ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bietet, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Flexibilität und Karriere. Neben dieser Kampagne arbeitet die Stadt seit drei Jahren an unterschiedlichen Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -bindung“. Dazu gehören beispielsweise die Einführung von Kita-Sekretariaten, ausreichende Leitungs- und Anleitungsfreistellungen oder auch die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland.