Kirchheim
„Ich gehe nicht in Voll-Pension“

Kirche Exakt fünf Jahre war Rainer Wagner als Diakon in Kirchheim. Nun geht er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Doch zugleich bleibt er Diakon, allerdings jetzt im Ehrenamt. Von Peter Dietrich

Wo der wichtigste Platz auf der Erde für einen Diakon ist, das ist für Rainer Wagner völlig klar: Das ist dort, wo es um Leben und Tod geht. Das kann bei Trauernden auf dem Friedhof sein, im Häuslichen Kinder- und Jugendhospizdienst oder bei der Begleitung von Tauffamilien. In Ausnahmesituationen, wenn Menschen offen sind für grundlegende Fragen, will Rainer Wagner ihnen gerne ein Gesprächspartner sein. In den fünf Jahren in Kirchheim seien – trotz aller einschränkenden Corona-Maßnahmen – persönliche Kontakte gewachsen, erzählt er, die ihm den Abschied schwer machen.

 

Für mich war es eine sehr gute Zeit.
Rainer Wagner
Diakon

 

„Aber ich gehe nicht in Voll-Pension“, sagt er. Denn von Neuffen  aus, wo Rainer Wagner (Jahrgang 1961) weiterhin mit seiner Frau Regina wohnt, wird er in seiner Seelsorgeeinheit weiterhin als Diakon im Nebenberuf eingesetzt. Dazu hat ihn der katholische Bischof Gebhard Fürst vor wenigen Tagen beauftragt. Das wird natürlich in deutlich geringerem Umfang als bisher sein, so wie er es gesundheitlich weiterhin leisten kann. „Ich will meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden.“

„Für mich war es eine sehr gute Zeit“, sagt er über die fünf Jahre, für die er schon das dritte Mal nach Kirchheim gekommen war. 1986 hatte er ein Jahr lang bei der Kirchheimer Paulinenpflege gearbeitet, dann wechselte er für zehn Jahre an die Johannes-Wagner-Schule Nürtingen, eine Schule für sprach- und hörgeschädigte Kinder. Das zweite Mal nach Kirchheim gekommen war er im Gemeindepraktikum, das zu einer theologischen Ausbildung gehörte. Diese hatte er erst im Alter von etwa 35 Jahren begonnen. Den Anstoß, Diakon zu werden, hatte ihm sein Pfarrer in Beuren gegeben, ein Franziskanerpater: „Das wäre doch was für dich.“

Im Mai 2004 wurde Rainer Wagner zum Diakon geweiht, es folgten fast 14 Jahre in der Seelsorgeeinheit St. Martin in Leutkirch im Allgäu. In Neuffen ist der Diakon von drei Enkeln umgeben. Zwei weitere Enkeltöchter gibt es in Neckargemünd. „Sie haben wir bisher selten gesehen, da wollen wir aufholen.“ Auf noch etwas freut sich der Diakon im teilweisen Ruhestand: auf kleine Reisen, auf die spontane Fahrt in die Berge, wenn das Wetter schön ist – und nicht dann, wenn es im sonst vollen Terminkalender steht.

Sehr gerne hat der Diakon mit den Ehrenamtlichen im Häuslichen Kinder- und Jugendhospizdienst gearbeitet. Dieser Dienst, ein Gemeinschaftsprojekt der Katholischen Gesamtkirchengemeinde mit den Maltesern, war seine Hauptaufgabe. „Es wird für mich keinen Nachfolger geben“, bedauert er. Weil es zu wenig pastorales Personal gibt, sich auf eine Ausschreibung kein Bewerber gemeldet hat, hat die Diözese die Kirchheimer Diakonenstelle gestrichen. Die Aufgabe könnte eventuell von einer Sozialpädagogin oder einem Sozialpädagogen übernommen werden.

Eine weitere Aufgabe des Diakons waren die „Orte des Zuhörens“. Während Corona, dann am Telefon, sei die Nachfrage erstaunlich verhalten gewesen, berichtet Rainer Wagner. Doch nun steige sie. „Die Leute kommen aus der Versenkung und entdecken, dass ihnen etwas fehlt.“

Was ihm ohne Kirche fehlte, hat Rainer Wagner im eigenen Leben erlebt. Er wuchs in Gönningen bei Reutlingen auf, einem evangelisch geprägten Dorf. Seine Familie, zu ihr gehörten noch vier Geschwis­ter, war jedoch katholisch geprägt: Der Vater half mit den eigenen Händen mit, in Gönningen die erste katholische Kirche zu bauen, und war später jahrzehntelang Mesner. Da lag ein kirchlicher Werdegang des Sohnes als Ministrant und in Jugendgruppen nahe. Mit etwa 20 Jahren wuchs jedoch dessen Abstand zur Kirche. „Das war die Zeit des Konflikts mit Professor Hans Küng.“

Durch seine Kinder, das war in Beuren, kam der ausgebildete Erzieher mit einer Fort- und Weiterbildung in Sozialpädagogik dann wieder in Kontakt zur Kirche. Dort wurde er Kirchengemeinderat und Wort-Gottes-Feier-Leiter, und sein Pfarrer gab ihm den entscheidenden beruflichen Impuls.

 

Die Verabschiedung wird am Sonntag, 5. März, um 9.45 Uhr mit einem Gottesdienst in St. Ulrich gefeiert, es folgt ein Empfang im Gemeindehaus.