Kommunikation
„Ich möchte nicht nur zu Hause sitzen“

Im Rahmen der Vesperkirche kommen zahlreiche Gäste in den beiden ersten Wochen im Februar zusammen. Obwohl es der Name vermuten lässt, steht das Essen nicht im Vordergrund. 

In den zwei Wochen, vom 2. bis 16. Februar, in denen die Vesperkirche in der Kirchheimer Thomaskirche stattfindet, kommen täglich zwischen 11.30 und 14 Uhr rund 180 Besucherinnen und Besucher zusammen. Fotos: Carsten Riedl

Helmut, 79, möchte nicht den ganzen Tag alleine zu Hause sein. „Nur am Computer oder am Fernseher zu sitzen, ist nichts für mich“, erzählt der Rentner, während ihm ein verschmitztes Lächeln übers Gesicht huscht. Noch sitzt er alleine am Tisch in der Kirchheimer Thomaskirche, ordentlich zurechtgemacht, die weißen Haare sind zur Seite gekämmt, der beigefarbenen Pullover sieht schick aus. Nimmt man neben ihm Platz, kommt er schnell ins Erzählen: „In den ersten Jahren bin ich noch mit dem Fahrrad gekommen, das habe ich jetzt aber gegen einen E-Rollstuhl eingetauscht.“ Mit einem Augenzwinkern bezeichnet er ihn als seinen Mercedes, der draußen auf ihn wartet. Für die rund sechs Kilometer lange Strecke von Ötlingen bis in die Aichelbergstraße 585 hat Helmut eine Stunde gebraucht. Die eisige Kälte an diesem Mittwoch hat den 79-Jährigen nicht aufgehalten: „Die frische Luft tut mir gut, außerdem packe ich mich immer warm ein.“

 

Jeder hat es selbst in der Hand, ob er alleine ist oder nicht. 

Helmut, 79, Besucher der Vesperkirche

 

Helmut ist bei weitem nicht der Einzige, der den Weg in die Vesperkirche findet: Täglich kommen rund 180 Besucherinnen und Besucher zusammen, sagt Uli Häußermann, für den es bereits die zehnte Vesperkirche in leitender Funktion ist. „Das wirklich Besondere ist die Gemeinschaft“, schwärmt er. Das sieht auch Madeleine, eine der rund 35 Ehrenamtlichen, die an diesem Tag mithelfen, so: „Hier kommen alle zusammen, ganz egal, welche Sprache man spricht, ob man viel oder wenig Geld hat, ob Alt oder Jung – alle sind da.“ Weil es ihr außerdem wichtig ist, sich für Werte wie die Menschlichkeit einzusetzen, hat sie schon früher mit ihren Söhnen die Vesperkirche besucht. „Ich habe dann zu ihnen gesagt: Jungs, es schadet euch nicht, mit älteren Menschen am Tisch zu sitzen und euch mit ihnen zu unterhalten.“ 

Das Essen ist Nebensache

Bei einer Runde durch den Raum wird schnell klar, dass es bei der Vesperkirche nicht ums Essen geht – obwohl es durchweg nur gelobt wird – sondern darum, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Das bestätigen auch Sabine, 66, und Doris, 63: „Ein Vierertisch ist langweilig, wir haben uns extra an einen großen Tisch gesetzt“, sagt die 66-jährige Rentnerin. „Hier kommt man zusammen und hat eine gute Zeit“, ergänzt Doris. Die beiden Frauen wissen, worauf es in der Rente ankommt: Damit man nicht versumpfe, müsse man sich kümmern, Strukturen schaffen und vor die Tür gehen. Im Arbeitsalltag treffe man jeden Tag seine Kollegen, später müsse sich jeder selbständig und vor allem stetig darum kümmern, mit Menschen in Kontakt zu treten. Dass das nicht jedem leicht fällt, weiß auch der 79-jährige Helmut. Sein Ratschlag lautet: „Man muss sich öffnen und Gespräche suchen. Jeder hat es selbst in der Hand, ob er alleine ist oder nicht.“ In der Vesperkirche sei das gut möglich, man komme mit neuen Leuten zusammen, habe eine gute Zeit und gutes Essen.

Ohne Ehrenamtliche geht nichts

Für 1,50 Euro bringen die Ehrenamtlichen an diesem Mittwochmittag Fleischküchle mit Rahmsauce und Gemüse und Kartoffeln oder für Vegetarierinnen und Vegetarier Gemüsestrudel mit Dip und Salat an die Tische. Zum Nachtisch steht Rote Grütze und Vanillesauce auf der Speisekarte. „Die 1,50 Euro decken unsere Ausgaben natürlich nicht“, sagt Uli Häußermann. Diejenigen, denen es möglich ist, würden gerne mehr geben. Trotzdem betont er: „Ohne Spenden ist die Vesperkirche nicht zu stemmen.“ Und natürlich auch nicht ohne die zahlreichen Ehrenamtlichen: Über die zwei Wochen hinweg sind rund 200 Ehrenamtliche im Einsatz.

Nach Kaffee und Kuchen endet das gesellige Zusammensein, und auch Helmut macht sich auf den Heimweg. Er stöpselt seinen E-Rollstuhl aus, ehe sein einstündiger Rückweg nach Ötlingen beginnt.

In den 14 Tagen, in denen die Vesperkirche stattfindet, sind rund 200 Ehrenamtliche im Einsatz. Foto: Carsten Riedl
Organisator Uli Häußermann liest zu Beginn die Speisekarte vor. Foto: Carsten Riedl