Kirchheim
„Ich würde es wieder tun“

Urgestein Walter Feeß macht Schluss: 30 Jahre lang war der einstige Stimmenkönig der Freien Wähler in Jesingen Ortschaftsrat. Nun hat der 64-Jährige für Jüngere Platz gemacht. Von Peter Dietrich

An das Gespräch im Treppenhaus, damals vor 35 Jahren, kann sich Walter Feeß noch gut erinnern: Zwei Urgesteine der Freien Wähler hatten ihn damals gefragt, ob er auf ihrer Liste für den Ortschaftsrat kandidieren wolle. „Ich habe Ja gesagt, auch wenn ich wenig Zeit hatte“, sagt der Inhaber eines Unternehmens. Beim ersten Mal fehlten ihm ein paar Stimmen. Doch beim zweiten Mal, also vor 30 Jahren, wurde er erstmals gewählt. Verlassen hat Walter Feeß das Gremium nun als Stimmenkönig - bei der vergangenen Wahl hatte er nicht mehr kandidiert. Im Alter von 64 Jahren wollte er Jüngeren Platz machen. Sein Sohn Alexander hat nun Vaters Platz am Ratstisch eingenommen. „Ich rede ihm nicht rein, keinen Millimeter“, betont der Vater. „Meine Tochter und meine beiden Söhne sind sehr selbstständig, das ist auch gut so.“ Dass er aber hilft, wenn er gefragt wird, etwa mit seinem großen Archiv mit Protokollen, ist für ihn ebenso klar.

30 Jahre Ortschaftsrat, zehn Jahre Gemeinderat in Kirchheim, seit fünf Jahren im Kreistag - was hat Walter Feeß motiviert? „Ich möchte, dass wir frei handeln können, wir haben in der Gesellschaft vieles erreicht. Ich will, dass das für unsere Kinder so bleibt. Jeder muss für die Gesellschaft seinen Teil beitragen, egal wo, etwa als Vereinsvorsitzender. Wo der Zusammenhalt da ist, brauchen wir weniger Polizei.“ Wenn es darauf ankäme, sagt er, wie bei der 1250-Jahr-Feier, dann hielten die Jesinger zusammen.

Selbstständigkeit wird weniger

Walter Feeß ist in Jesingen aufgewachsen und würde nie wegziehen. „Wenn ich durch Jesingen gehe und das eine oder andere sehe, an dem ich mitwirken durfte, dann freut mich das und erfüllt mich mit einer gewissen Zufriedenheit.“ Was ihn allerdings schmerzt, ist der Abbruch des alten Jesinger Rathauses. Mit seinem Plädoyer für dessen Erhalt konnte er sich nicht durchsetzen. Er nahm es sogar als persönliche Niederlage. Mit seiner Firma am Abbruch des geschichtsträchtigen Gebäudes, das schon Kindergarten und Schule war, teilzunehmen, wäre für ihn unvorstellbar gewesen. Er stellte den Antrag, vom Vorgängerbau wenigstens ein Symbol in den Neubau zu integrieren: So entstand aus den jahrhundertealten Eichenbalken der wunderschöne Ratstisch.

„Ich würde es wieder tun“, sagt Walter Feeß im Rückblick auf die 30 Jahre im Ortschaftsrat. Die im Eingemeindungsvertrag vereinbarte teilweise Selbstständigkeit von Jesingen sei in dieser Zeit weniger geworden: „Wir haben nicht mehr ganz so viel zu sagen, haben etwa den Bauhof verloren.“ Aber nach wie vor gelte: „Man kann in Kirchheim beim Gemeinderat und der Oberbürgermeisterin Gehör finden.“ In aller Regel werde der Wille des Ortschaftsrats vom Gemeinderat respektiert: „Dass der Kirchheimer Gemeinderat den Ortschaftsrat überstimmt hat, dieser dann Einspruch erhob und das in den Vermittlungsausschuss ging, habe ich in den 30 Jahren glaube ich nur einmal erlebt.“ Auch die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Ortschaftsrat sei „auf Augenhöhe“.

Bei der Sanierung der Ortsdurchfahrt, erzählt Walter Feeß, habe der Ortschaftsrat von den Bürgern ordentlich Fett abbekommen. Die Straße verschmälern, um die Lindach erlebbar zu machen? Das war für manche unvorstellbar. Geld für zusätzliche Stege ausgeben, war für sie Verschwendung. Doch die Stadtverwaltung habe es gewollt, die Oberbürgermeisterin auch, und heute seien fast alle richtig glücklich mit dem Ergebnis.

Die aktuell ebenfalls umkämpfte „unechte Teilortswahl“, die Jesingen drei Sitze im Kirchheimer Gemeinderat sichert, ist für Walter Feeß sehr wichtig. „So kriegt der Gemeinderat die Sorgen und Nöte der Jesinger frei Haus mitgeteilt.“ Die Teilorte sich eigenständig entwickeln zu lassen, könne eben manchmal unbequem sein. Unbequem für manchen, ist auch das, was der Umweltpreisträger voller Begeisterung über Baustoffrecycling, kurze Wege und Nachhaltigkeit erzählt - „Feeß for Future“ verdient aber unbedingt Gehör.

Was steht aus seiner Sicht für die Zukunft an? „Wir sollten das Schmuckstück ‚Alte Kelter‘ gut nutzen, müssen wohl die Gemeindehalle und Sportstätten sanieren, ich wünsche mir ein weiteres Neubaugebiet. Und es gibt die eine oder andere Straße, die man richten könnte.“