Kirchheims Bahnhofsgelände soll ein neues Gesicht bekommen. Dazu haben sich jetzt rund 20 Bürger zu einem Workshop im Büchereisaal getroffen. Seit vor etwa einem Jahr die Anfrage eines Investors für die Errichtung eines vierstöckigen Gebäudes auf dem Areal eingegangen war, will die Stadt den gesamten Bereich neu planen. „Das ist ein ideales Thema für eine Bürgerbeteiligung“, sagt Sabine Bur am Orde-Käß, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat. Die Stadtverwaltung stellte dazu gerne die nötigen Pläne zur Verfügung.
Sabine Bur am Orde-Käß, selbst Architektin und Stadtplanerin, hatte die Bürger ordentlich gefordert: In Arbeitsgruppen sollten sie ihre Vision von einer Neugestaltung auf Transparentpapier zeichnen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und zeigte den Weitblick, mit dem die Ideengeber an die Arbeit gegangen waren. Mehrere Gruppen verlegten den Busbahnhof an die Stelle der ehemaligen Güterhalle. Der jetzige Busbahnhof hat keine Überdachung, die Wege für die Fahrgäste sind extrem schmal und von der S-Bahn kommend ist nicht zu sehen, wo die Busse hinfahren. Bei so viel Beton- und Asphaltfläche wie bisher bliebe Raum für eine Bebauung, ob nun zum Wohnen, für Büros, für ein Hotel oder eine Jugendherberge. Durch den Grundstücksverkauf, so der grüne Fraktionsvorsitzende im Landtag, Andreas Schwarz, ließe sich womöglich die Neugestaltung finanzieren. Er hatte außerdem aktuelle Informationen zum Bahnverkehr mitgebracht.
Zu den weiteren Ideen gehörten ein Fahrradparkhaus und ein Kreisverkehr an der großen Kreuzung. Bisher ist es ein häufiges Ärgernis, dass Fußgänger und Radfahrer an der Ampel oft sehr lange auf Grün warten müssen und dadurch möglicherweise den Anschluss an die S-Bahn verpassen. Das Bahnhofsgebäude gehört der Deutschen Bahn, wird aber von ihr eigentlich kaum noch gebraucht. An dieser Stelle könnte ein Neubau entstehen. Dieser sollte nach Ideen der Workshop-Teilnehmer schon von Weitem sichtbar machen, dass man sich dem Bahnhof nähere, wozu auch eine große Uhr gehöre.
Ein anderer Entwurf beließ den Busbahnhof an seiner Stelle, drehte ihn aber herum. Dafür wurde die alte Güterhalle zur Kulturhalle umfunktioniert. Einig waren sich alle Teilnehmer in einem: „Die Unterführung muss weg!“ Deshalb waren in allen Entwürfen Alternativen vorgesehen, entweder als Steg oder als schienengleicher Übergang. Einen barrierefreien Zugang soll es von beiden Seiten des Bahnhofs geben, nicht nur zur Innenstadt hin. Die Teilnehmer blickten auch hinüber zum Südbahnhof, die dortige Unterführung ist ihnen ebenfalls ein großes Ärgernis. Sie wünschen sich auch dort eine ebenerdige, barrierefreie Alternative. Am Hauptbahnhof steht ein Platz mit Brunnen auf der Wunschliste. Zwar gibt es bereits den Schöllkopf-Brunnen, er versteckt sich aber so im Gebüsch, dass ihn kaum einer erkennt.
Bei allen großen Ausblicken wurden auch kleine, kurzfristig mögliche Verbesserungen nicht vergessen. Ein Fremder kann sich am Bahnhof derzeit fragen: „Wo bitte geht es hier in die Stadt?“ Denn es fehlt eine gute Beschilderung. Auf dem Bahnsteig fehlen Sitzgelegenheiten, der Fußweg an der Schöllkopfstraße ist zugewachsen, die beiden Kassen für die Toiletten funktionieren oft nicht. Auf Kritik stießen auch die frühen Schließzeiten des Bahnhofsgebäudes, montags bis samstags um 19 Uhr und sonntags um 13 Uhr.
52 Fernbusse pro Woche
Sabine Bur am Orde-Käß war gut vorbereitet und hatte manche überraschende Information: Nicht jeder wusste zum Beispiel, dass am Bahnhof derzeit pro Woche 52 Fernbusse halten, sie fahren unter anderem nach Lyon, Bottrop und Bosnien-Herzegowina. Die Haltestelle an der Straße ist allerdings schwer zu finden. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Reihenparkplätze auf dem Weg zum AOK-Gebäude sind aus heutiger Sicht eine Platzverschwendung. Dort stehen übrigens auch drei Carsharing-Autos von Stadtmobil.
„Das sind ganz tolle Anregungen“, sagte Sabine Bur am Orde-Käß am Schluss. „Es lohnt sich, am Bahnhof Geld in die Hand zu nehmen.“ Alle Anregungen würden dem Gemeinderat zur Verfügung gestellt. „Wir werden beantragen, 2019 einen Wettbewerb durchzuführen.“