Nahversorgung
Im Bonus-Markt sind die Lichter aus

Das Lebensmittelgeschäft an der Notzinger Ortsdurchfahrt ist seit 12. August geschlossen. Die Kirchheimer Filiale in Ötlingen schließt zum Jahresende ebenfalls. 

Der Bonus-Markt in Notzingen ist geschlossen. Die Bäckerei Goll und Metzgerei Frik sowie die Post bleiben im Gebäude. Foto: Markus Brändli

Die Zukunft der 200 Quadratmeter großen Ladenfläche ist derzeit völlig offen“, sagt Matthias Kühnle. Die Eltern des Apothekers sind die Eigentümer und damit die Vermieter der im Gebäude in der Hochdorfer Straße in Notzingen befindlichen Gewerbeeinheiten. Dazu zählen neben dem Lebensmittelmarkt auch eine Bäckerei- und eine Metzgerei-Filiale sowie die örtliche Post. „Diese drei sind von der Schließung des Bonus-Markts nicht betroffen, sie haben alle eigene Mietverträge“, betont Matthias Kühnle.

 

Die Kaufkraft, die einst diesen Markt stützte, ist spürbar zurückgegangen.

Karsten FischerGeschäftsführer Bonus gGmbH

 

Das fünfjährige Mietverhältnis mit Bonus läuft trotz der bereits erfolgten Schließung regulär zum Jahresende aus. „Eigentlich wäre der Plan gewesen, um mindestens weitere fünf Jahre zu verlängern“, sagt Kühnle. Gemeinsam mit seinem Vater habe er sich über die letzten neun Monate bei regelmäßigen Treffen mit der Stuttgarter Unternehmensleitung intensiv um die Verlängerung des Mietverhältnisses bemüht, sagt Matthias Kühnle, „wirtschaftliche Gründe sowie auslaufende, für die Bonus-Märkte aber notwendigen Förderprogramme, machen eine Weiterführung des Betriebs unmöglich.“  

Raum für soziales Engagement

Bonus steht für „Berufliche Orientierung, Nachbarschaftsmärkte und Service“. Karsten Fischer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Unternehmens mit Sitz in Bad Cannstatt, bedauert es sehr, sowohl den Notzinger, als auch zum Jahresende den Kirchheimer Markt in Ötlingen schließen zu müssen. Das sei eine schwierige Entscheidung gewesen, die nach Abwägung aller Faktoren jedoch unumgänglich sei.

„Der Bonus-Markt in Notzingen repräsentierte, wie alle unsere Märkte, weit mehr als nur einen Ort des Lebensmittelverkaufs. Er war ein Raum der Begegnung und des sozialen Engagements, in dem benachteiligte Menschen am Arbeitsmarkt eine echte Chance auf berufliche Reintegration erhielten“, so Fischer. Seit der Gründung der Bonus gGmbH im Jahr 2004 als 100-prozentige Tochtergesellschaft der sbr gGmbH für Schulung und berufliche Reintegration mbH habe man das Ziel verfolgt, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und diesen Menschen neue Perspektiven zu eröffnen. „In unseren bisher 22 Bonus-Märkten konnten zahlreiche Teilnehmer erfolgreich qualifiziert und in den ersten Arbeitsmarkt zurückgeführt werden“, sagt Karsten Fischer, „zudem haben wir in vielen Gemeinden und Stadtteilen, in denen sich der traditionelle Handel zurückgezogen hat, die dringend benötigte Nahversorgung sichergestellt.“

Viele Faktoren führen zum Aus

„Leider wurde der Notzinger Bonus-Markt nicht so gut angenommen, dass er sich wirklich rechnet, die Leute gehen eher in die Supermärkte der näheren Umgebung einkaufen“, weiß Matthias Kühnle. Ob in Kirchheim, Schlierbach, Wernau oder Hochdorf, Vollsortimenter gibt es im Umkreis in ausreichender Zahl. Karsten Fischer bestätigt, dass sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren erheblich verschärft haben: „Drastisch gestiegene Energiekosten sowie die durch die Inflation verursachten exorbitanten Preissteigerungen in unserem Sortiment haben das Einkaufsverhalten unserer Kunden nachhaltig verändert. Die Kaufkraft, die einst diesen Markt stützte, ist spürbar zurückgegangen.“ Zudem habe die unzureichende Zuweisung von Teilnehmern durch das Jobcenter – die für den Betrieb der Märkte unerlässlich sei – zu erheblichen personellen Engpässen geführt. „Die Mitarbeitenden unserer Märkte werden durch verschiedene Arbeitsmarktprogramme vom Jobcenter in Form von Lohnkostenzuschüssen, wie etwa durch das Programm ‘Teilhabe am Arbeitsmarkt’ oder durch Eingliederungszuschüsse, unterstützt. Ohne diese Förderprogramme ist der Betrieb eines Bonus-Marktes nicht möglich. Diese Entwicklungen haben uns letztlich dazu gezwungen, den Betrieb in Notzingen einzustellen.“ In der Kirchheimer Filiale in der Stuttgarter Straße 181 führen laut Karsten Fischer die selben Gründe am Jahresende zum Aus. Dort liegen anders als in Notzingen allerdings Vollsortimenter wie Lidl und Edeka in unmittelbarer Nähe.

Im Kreis Esslingen betreibt die Bonus gGmbH weitere Märkte in Ostfildern-Ruit, Stetten (Leinfelden-Echterdingen) und Esslingen-Sulzgries. Diese würden weitergeführt. „Die Schließung des Marktes in Notzingen ist ein schmerzlicher Einschnitt für unser Unternehmen und die betroffene Gemeinde. Dennoch bleibt unser Engagement für die berufliche Reintegration und die Sicherstellung der Nahversorgung an den verbleibenden Standorten ungebrochen“, betont Karsten Fischer. 

Kleine Läden brauchen Kaufkraft

Gerade für jene, die nicht so mobil seien, sei eine Versorgung am Ort essentiell, so Matthias Kühnle. Jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen sei, sei der Aufschrei über die Nachricht der Schließung vermutlich groß. Zu spät allerdings, „ein solches Konzept muss man früher gut unterstützen. Solche kleineren Geschäfte können sich ansonsten irgendwann nicht mehr halten“, so der Apotheker. Ideen oder Bewerber für die nun freie Bonus-Ladenfläche seien willkommen. 

 

Der Weg der Notzinger Nahversorgung

Im Notzinger Ortskern hält die Familie Kühnle seit über 20 Jahren die Nahversorgung aufrecht – gemeinsam mit örtlichen Lebensmittelgeschäften wie dem familiengeführten „Kraut & Rüben“, dem italienischen Markt neben der zugehörigen Pizzeria L’Italiano in der Wellinger Straße 2 oder der Bäckerei- und Metzgereifiliale im selben Gebäude wie der Bonus-Markt. Nachdem der Edeka-Markt Weber am heutigen Standort des italienischen Markts 2001 geschlossen wurde, übernahm Ingrid Kühnle den Lebensmittelladen und führte ihn unter dem Namen „Lb-No“ fort. Beliefert wurde sie vom Großhandel Utz.

Der Neubau vis-à-vis in der Hochdorfer Straße 2, in dem in den letzten fünf Jahren unter anderem der Bonus-Markt war, wurde von der Familie Kühnle gebaut, 2003 zog das Lebensmittelgeschäft von Ingrid Kühnle dorthin um. Bis 2005 leitete sie ihren Laden. Die vorherige Ladenfläche wurde ab 2003 bis zur Insolvenz des Konzerns im Jahr 2012 von der Drogeriemarkt-Kette Schlecker genutzt.

Von 2005 bis 2015 übernahm Waltraud Nawroth den Lebensmittelladen in der Hochdorfer Straße unter dem Namen „Notzinger Lädle“, beliefert wurde sie ebenfalls vom Großhandel Utz. Kühnles sind die Vermieter der Gewerbeflächen im Gebäude.

In den Jahren 2015 bis 2020 übernahm die Filderwerkstatt und führte den Nahversorger als „CAP“-Markt weiter. Abgelöst wurde dieser schließlich vom „Bonus-Markt“ mit Sitz in Bad-Cannstatt.

Wie es nun auf der leerstehenden 200 Quadratmeter großen Ladenfläche des Notzinger Bonus weitergeht, ist noch nicht absehbar. eis