Selbst etwas anzubauen hat in den letzten zwei bis drei Jahren wieder an Bedeutung gewonnen“, beobachtet Kirchheims Klimaschutzmanagerin Beate Arman. Ein Grund dafür ist der Wunsch nach einer gewissen Versorgungssicherheit. Manchem Kopfarbeiter tut es aber auch gut, mal wieder etwas in den Händen zu halten. Andere wiederum sind der Meinung, dass es einfach schön ist, nach der Gartenarbeit die eigenen Muskeln zu spüren.
Das geht auch ohne eigenen Garten, dafür zusammen mit anderen Menschen: Eine Gruppe junger Erwachsener aus Kirchheim hat es gewagt. Die Agendagruppe „G.A.N.Z“, das steht für „Gemeinsam, aktiv und nachhaltig in die Zukunft“, machte nicht nur Kräuterwanderungen und vegane Kochabende, startete die Schenkscheune und rettete durch Foodsharing wertvolles Essen, sondern
das höre ich oft.
sie erschuf 2015 auch den Gemeinschaftsgarten in Jesingen. Ein Bekannter stellte pachtfrei einen ungenutzten Ackerstreifen südlich der derzeit ebenso ungenutzten Bahnlinie zur Verfügung. „Wir haben uns darauf gestürzt und gemerkt: Das ist echt anstrengend“, erinnert sich Wiebke Aszmutat vom Gemeinschaftsgarten Jesingen. Doch längst haben sie vieles verändert: Die Bodenqualität hat sich erheblich verbessert, es gibt einen Schuppen und seit diesem Winter sogar ein kleines Gewächshaus.
Die Gruppe aus rund acht Aktiven und einigen sporadischen Helfern bewirtschaftet aber noch nicht die gesamte Fläche. „Wir können noch viele Leute mit Arbeit versorgen“, meint Wiebke Aszmutat. „Wir freuen uns über jeden, auch ohne Vorkenntnisse. Keiner von uns war ursprünglich Gärtner. Wir sind da, um gemeinsam zu lernen.“ Petra Zeh nennt das die „Schwarmintelligenz im Garten“. Ein weiterer Pluspunkt: „Es kostet keinen Eintritt und es gibt keine Aufnahmeprüfung.“
Arbeit erdet die Gärtner
Zur Planung gibt es monatliche Onlinetreffen, die gemeinsamen Gartenaktionen sind meist am Wochenende. Es gibt auch spontane Treffen, jeder kann alleine in den Garten, und ein Gieß- und Schneckendienst sorgt dafür, dass bis zur Ernte etwas übrigbleibt. Das Wasser muss vom örtlichen Brunnen geholt werden.
Was angebaut werden soll, wird im Dezember gemeinsam beschlossen, es gibt genügend Raum für Experimente. Im Januar oder Februar wird Bio-Saatgut bestellt, die Kosten werden geteilt. Die Anzucht beginnt zu Hause, etwa auf dem Fensterbrett. Draußen im Gemeinschaftsgarten wird auf die Fruchtfolge ebenso geachtet wie auf gute Nachbarschaft – bei den Pflanzen kann eben auch nicht jede mit jeder. Nicht jeder Anbauversuch hat geklappt. „Kartoffeln waren nichts“, berichtet Petra Zeh. Dafür gab es unter anderem Pastinaken, Kürbisse, Knoblauch, Rote Beete, Radieschen, Spinat, mehrere Salatsorten, Stangenbohnen, Erbsen, Zucchini, Himbeeren, Grünkohl, Gurken, Paprika und Mangold. „Der Mangold samt sich selbst aus, und Erdbeeren werden genommen, wie sie halt kommen.“
„Gärtnern macht glücklich“, sagt Wiebke Aszmutat. Es erdet, bringt einen in die Natur und gemeinsam verteilt sich die Arbeit auf mehrere Schultern. So muss keiner auf den Urlaub verzichten, weil gerade die Bohnen reif zur Ernte sind. Der Garten macht den Kreislauf der Natur erlebbar, die kurzen Wege sparen Energie und CO2, der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel sorgt für gesunde Böden und der Garten bietet Lebensraum für Vögel und Kleintiere. „Wir hätten so gern einen Igel im Garten“, sagt Wiebke Aszmutat. „Vielleicht kommt ja mal einer vorbei, dem es bei uns gefällt.“
Wiebke Aszmutat wünscht sich, dass auch im Zentrum Kirchheims mehr Flächen zum urbanen Farmern oder Gärtnern genutzt werden. Das sorgt für eine Kühlung der Luft und kann die Luftverschmutzung reduzieren. Wer mitmachen will, kann mitten in der Stadt ganz klein anfangen. Ideen dafür gibt es einige, sagt Beate Arman, von Patenschaften für einen Pflanzkübel bis zu Hochbeeten auf Holzpaletten, die sich bei Bedarf auch mal verschieben lassen. „In Kirchheim fehlt es an Grün, das höre ich oft. Jetzt sind Leute gesucht, die mitmachen.“
Schnuppertag im Gemeinschaftsgarten
Am Samstag, 2. April, gibt es im Gemeinschaftsgarten Jesingen einen Schnuppertag. Von 11 bis 15 Uhr darf jeder schauen und auf Wunsch auch gleich Hand anlegen. Der Schnuppertag findet auch bei Regen statt.
Wer beim Gemeinschaftsgarten mitmachen möchte, kann sich bei Petra Zeh unter 01 51/57 30 97 96 melden. Alle, die sich beim geplanten Gärtnern in der Innenstadt beteiligen wollen, können sich an Iris Sommer von der Stadtverwaltung unter 0 70 21/50 25 13 oder i.sommer@kirchheim-teck.de wenden.
Wiebke Aszmutat bewundert die meist weiblichen „Gemüseheldinnen von Frankfurt“ mit inzwischen 200 Aktiven. Über sie sendet die ARD in der Mediathek die 45-minütige Reportage „Urban Farming – Gärtnern fürs Klima“. pd