Es ist ein Riesenproblem für viele schwangere Frauen: Eine Hebamme zu finden, die eine Betreuung vor der Geburt und Nachsorge im Wochenbett anbietet, wird immer mehr zur Herausforderung. Der deutschlandweite Hebammenmangel macht auch vor der Teckregion nicht halt. So stehen auch hier einige Frauen ohne Hebamme da, obwohl sie eigentlich Anspruch auf die Hilfe haben.
Melanie Schmid, freiberufliche Hebamme aus Dettingen, kennt dieses Dilemma. Die 44-Jährige wird regelrecht von Anfragen überrollt und ist bereits bis Ende Februar nächsten Jahres ausgebucht. „Die Frauen sind verzweifelt und schreiben oft 20 Hebammen an“, weiß sie.
Das Problem habe sich freilich längst herumgesprochen, sodass werdende Mütter inzwischen schon sehr früh auf Hebammensuche gehen: „Bei mir melden sich manche schon in der vierten Schwangerschaftswoche an.“
Wer trotzdem leer ausgehe, müsse sich „irgendwie selbst durchwursteln“, konstatiert die Dettingerin. Das sei eine ungute Situation, die mit Nachteilen und Schwierigkeiten für die Frauen verbunden sein kann. Melanie Schmid betont, dass sie ihren Beruf mit Leidenschaft ausübt; sie ist jedoch selbst Mutter von drei Kindern und habe deshalb nur begrenzt Zeit.
Doch woran liegt es, dass Hebammen Mangelware geworden sind? Ein Punkt seien die Arbeitszeiten, sagt Schmid. „Mein Feierabend ist nicht immer festgelegt. Manchmal erhalte ich auch abends oder sonntags Anrufe. Das macht diesen Beruf für manche nicht unbedingt attraktiv“, konstatiert sie. Hinzu komme das Thema Bezahlung freiberuflicher Hebammen. Zum 1. April dieses Jahres seien die Vergütungen für Leistungen der Hebammenhilfe aufgrund der Inflation erhöht worden. „Für eine telefonische Beratung erhalte ich 30 Cent mehr“, nennt die Dettingerin ein Beispiel. Von einer wirklichen Erhöhung könne also keine Rede sein. Eine solche liege sieben Jahre zurück. Aktuell jedoch werde die Gebührenverordnung für Hebammen neu verhandelt.
Ein weiterer Grund für den Hebammenmangel sieht Melanie Schmid in der Studium-Pflicht: Wer Hebamme werden will, muss inzwischen angewandte Hebammenwissenschaft studieren und einen Bachelor-Abschluss vorweisen. „Früher hat eine Ausbildung ausgereicht“, ergänzt die 44-Jährige, die selbst noch eine solche Ausbildung absolviert hat. Es sei zwar nachvollziehbar und sinnvoll, den Beruf aufzuwerten und mehr Wissenschaft zu ermöglichen, „aber der Zugang ist dadurch für viele schwieriger geworden“. Und ob es hilft, damit dem Hebammenmangel zu begegnen, stellt Melanie Schmid infrage: „Ich könnte mir vorstellen, dass die eine oder andere lieber an der Uni bleibt und lehrt.“
Viele ihrer Kolleginnen ziehen außerdem die Arbeit in den Kliniken der Freiberuflichkeit vor, ergänzt Melanie Schmid. Der Grund: „In den Kliniken haben sie klar definierte Dienstzeiten.“ Nach Feierabend sei Schluss. Trotzdem sei der Hebammenmangel auch in den Krankenhäusern zu spüren: So weiß die Dettingerin von so mancher Klinik, die jeder angestellten Hebamme eine Prämie bezahlt, die eine zusätzliche Kollegin für die Arbeit in der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses gewinnen kann.
Unterdessen bittet die Dettingerin auch auf ihrer Homepage alle schwangeren Frauen, die keine Hebamme finden, dies dem Hebammenverband Baden-Württemberg und der Krankenkasse mitzuteilen. „Das Ganze ist politisch motiviert: Der Hebammenverband möchte so aufzeigen, wie groß der Bedarf und Mangel sind.“ Denn nur wenn man konkrete Zahlen habe, könne man gegen die Unterversorgung vorgehen.