Kirchheim
In 100 Tagen kommt der erste ICE

Großprojekt Der Countdown für die Bahn läuft. Am 11. Dezember geht die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm offiziell in Betrieb. In der Bauzeit hat sich viel getan. Die Kräne sind weg und das Grün erobert sich die Fläche zurück.

Das Großbauprojekt Schnellbahntrasse hat viele Besucher zwischen Wendlingen und Ulm während der jahrelangen Bauzeit angelockt. Am Boßlertunnel wurde eigens eine Besucherterrasse für die Schaulustigen eingerichtet. Sie war beliebtes Ziel für all diejenigen, die mit Interesse den Baufortschritt regelmäßig beobachteten oder einfach mal aus Neugier vorbeischauten. Es gab Führungen in und an den Tunnels. Dazu zählen auch der Albvorlandtunnel zwischen Kirchheim und Wendlingen sowie der Steinbühltunnel. Der führt oberhalb des Filstals zwischen Wiesensteig und Mühlhausen auf die Albhochfläche.

Dieses Foto vom Portal des Albvorlandtunnels entstand im Mai 2020. Hier sind noch die Kräne, Silos und diversen Aushubhügel samt Baustelleneinrichtung zu sehen. Foto: Carsten Riedl

Ein Besuchermagnet war insbesondere die markante Filstalbrücke, die jetzt schon als Wahrzeichen der Schnellbahntrasse gilt. Führungen während der Bauzeit waren sowohl in den Tunnels als auch auf der Brücke schnell ausgebucht – auch Leserreisen des Teckboten führten dorthin.

Die Bahn hat nun in ihrem Archiv gegraben und einige Vorher-Nachher-Betrachtungen entdeckt, beispielsweise vom Portal des Boß­lertunnels bei Weilheim. Auch unser Fotograf Carsten Riedl war mehrfach „unter Tage“ im Albvorlandtunnel und beobachtete zudem regelmäßig unter freiem Himmel dessen Baufortschritt am Portal beim Kirchheimer Industriegebiet Bohnau.

Der Tunnelvortrieb für den 8,2 Kilometer langen Albvorlandtunnel begann am 6. Oktober 2017. Die beiden Vortriebsmaschinen Sibylle und Wanda – Wendlingen am Neckar durchs Albvorland – gruben sich in rund eineinhalb Jahren von Dettinger Markung aus bis Wendlingen durchs nicht unproblematische Pyritgestein – hierzulande auch als Katzengold bekannt. Um den aus dem Tunnel geförderten Gesteinsbrei zu binden, wurde Brandkalk eingesetzt. Das führte bei Wind zu erheblichem Ärger in der benachbarten Bevölkerung, denn der ätzende Kalk hinterließ Spuren auf Autos, Dächern und anderem.

Sibylle und Wanda

Die beiden Tunnelvortriebsmaschinen wa ren jeweils rund 120 Meter lang, wogen rund 2300 Tonnen und hatten einen Durchmesser von 10,82 Metern. Die Antriebsleistung lag bei 4400 Kilowatt je Maschine. Ab 11. Dezember werden durch den Albvorlandtunnel die Züge mit einer Geschwindigkeit bis zu 250 Kilometer pro Stunde unterwegs sein – wie auf der gesamten Strecke. Das „alte“ Foto entstand im Mai 2020, das neue ist wenige Tage alt.

Der Boßlertunnel ist mit 8,8 Kilometern der längste der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm. Er wurde von Aichelberg aus mit einer 2500 Tonnen schweren Tunnelvortriebsmaschine gegraben, die auf den Namen „Käthchen“ getauft wurde. Die Tunnelwände sind aus insgesamt rund 60 000 Betonteilen zusammengesetzt, den sogenannten Tübbingen. Diese wurden direkt auf der Baustelle produziert. Dort, wo zwischen Autobahn und Bahnstrecke .lange ein großer Berg mit Tunnelausbruchsmaterial war, ist nun wieder „grüne Wiese“. Das andere Ende des Tunnels ist direkt an der Filstalbrücke. Über Mühlhausen fahren die Züge hier auf die dritthöchste Eisenbahnbrücke in Deutschland – und nach wenigen Sekunden hinein in den nächsten Tunnel, den knapp fünf Kilometer langen Steinbühltunnel. Dann sind die Reisenden auf der Albhochfläche und weiter geht’s in Richtung Ulm. Das Baustellenbild entstand 2014, das neue ist von diesem Jahr.

So sieht das Tunnelportal bei Kirchheim aktuell aus. Foto: Carsten Riedl

Das Bild zeigt die Baustelle des Boßlertunnels bei Aichelberg im Jahr 2014. Foto: DB/Arnim Kilgus

„Es war eine planerische Grundsatzentscheidung, die Neubaustrecke eng mit der Autobahn zu bündeln“, erklärt ein Bahnsprecher. Der Gedanke war, die Landschaft nur einmal mit Verkehrswegen zu zerschneiden. Zudem sollte im Zuge des Streckenneubaus auch die Autobahn dreispurig ausgebaut werden. Auf Höhe der Parkplätze Imberg und Kemmental auf der Alb wurde deshalb eine Grünbrücke als Querungshilfe für Wildtiere errichtet. „Jetzt, wo der Bau vollendet ist, sieht die Querungshilfe aus, als wäre sie eine Brücke und nebendran ein Tunnel – beide wurden jedoch in offener Bauweise gebaut“, so der Sprecher. Das erste Bild stammt von 2016 – und so sieht es heute aus. ih/pm

Dieses Bild des Boßlertunnels entstand etwa an der gleichen Stelle im Frühjahr dieses Jahres. Foto: DB/Arnim Kilgus

Die zwei Grünbrücken auf Höhe der Parkplätze Imberg und Kemmental wurden in offener Bauweise gebaut. Foto: DB/Dietrich