Im Moment herrscht eine Situation, die Daniel Miller, Apotheker der Adler-Apotheke in Kirchheim, nicht mehr einfach so hinnehmen will. In einem Brandbrief wendet er sich jetzt deshalb an Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach. Darin weist der Apotheker darauf hin, dass aktuell mehr als 400 Arzneimittel nicht lieferbar sind, mit steigender Tendenz. Betroffen davon sind sowohl verschreibungspflichtige wie nicht verschreibungspflichtige Medikamente in nahezu allen Wirkstoffklassen, heißt es in dem Hilfe-Ersuchen. Große Not herrsche dabei vor allem bei fiebersenkenden Arzneimitteln und Antibiotika für Kinder. Weiter heißt es in dem dringenden Appell, verschlechtere sich auch die Situation bei Insulin zunehmend.
Zwar hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit einem Eckpunkteplan auf die prekäre Lage reagiert. Daniel Miller dazu: „Mittelfristig halte ich alle drei angesprochenen Punkte im Eckpunkteplan für sinnvoll und die Umsetzung sollte rasch erfolgen. Eine Lösung für die aktuelle Situation sieht der Eckpunkteplan aus meiner Sicht aber nicht vor. Wir haben jetzt sehr viele Atemwegsinfekte und nicht ausreichend Arzneimittel zur Akutversorgung“, sagt Daniel Miller. Bei einer Infektwelle, „die sich sicher bis in das nächste Frühjahr zieht“, sieht er „einen noch größeren Notstand mit noch schlechterer Versorgungslage“ auf die Apotheken und die Bevölkerung zukommen.
Eine weitere Verschärfung könnte sich daraus ergeben, dass China vorerst den Export der Wirkstoffe Paracetamol und Ibuprofen stoppt und im Ausland Arzneimittel einkaufe. Grund seien die dort plötzlich hohe Nachfrage nach Aufhebung der COVID-19- Gesundheitsbeschränkungen, wie das Online- Portal der Deutschen Apotheker Zeitung berichtet.
Unangebrochene Arzneimittel verwenden
Der Kirchheimer Apotheker jedoch kritisiert nicht nur, er hat auch Lösungen parat: So wünscht er sich einen vereinfachten Import oder eine staatliche Beschaffung dieser Medikamente aus dem Ausland. Eine weitere Lösung sieht er in der Möglichkeit, dass Pharma- und Generikafirmen nach rechtlicher Regelung Fiebersäfte aus Tabletten produzieren können. „Dann wäre sehr schnell eine ausreichende Menge verfügbar“, erzählt Daniel Miller. Analog könnte auch eine Herstellung von Antibiotika-Säften aus Tabletten erfolgen.
Und noch eine Sache könnte die Versorgungsengpässe mildern: Fakt sei es, „dass sehr viele Arzneimittel in Deutschland unbenutzt im Müll landen.“ Der Apotheker schlägt daher vor, „in einem ersten Schritt unangebrochene Arzneimittel, die in Pflegeheimen auf Grund von Absetzung des Arzneimittels oder Versterben des Patienten nicht mehr benötigt werden, wieder in den Verkehr bringen zu können.“ Ein Sicherheitsrisiko sieht der dabei nicht: „Die Arzneimittelvorräte in Pflegeheimen werden regelmäßig überprüft, so dass man hier von einer ordnungsgemäßen Lagerung ausgehen kann.“
Daniel Miller selbst will so schnell wie möglich dazu beitragen, die aktuelle Situation wenigstens ein bisschen zu lindern. In seiner Apotheke will er Fiebersäfte produzieren. Das verzögere sich jedoch durch einen hohen Krankenstand.
Die wichtigsten Positionen im Eckpunkteplan des BMG
Für bestimmte Arzneimittel für Kinder soll es keine Rabattverträge und Festbeträge mehr geben. Die Preisobergrenze soll um 50 Prozent erhöht werden.
Bei der Ausschreibung der Krankenkassen für Rabattverträge für Antibiotika und Arzneimittel zur Krebsbehandlung soll künftig ein Anteil speziell für Anbieter mit Produktionsstandort in der EU ausgeschrieben werden. Außerdem sollen künftig europäische Produzenten stärker berücksichtigt werden.
Für rabattierte Arzneimittel ist eine mehrmonatige Lagerhaltung vorgesehen, um bei Engpässen die Versorgung zu sichern. cw