Kirchheimer Kultursommer - das ist mehr als Live-Bands, Kabarett, Lesungen und Stadtführungen. Sandra Schöne, Citymanagarin in der Geschäftsstelle des City Rings, freut sich auch auf „verrückte Sachen“. Dazu gehörte eine Kräuterführung mit der Expertin Christel Ströbel. Im besten Wortsinn verrückte sie den Blick auf viele Plätze in der Innenstadt. Denn wer erwartet hatte, dass der Rundgang nur zu speziellen Kräuterbeeten in Kirchheims guter Stube führen würde, sah sich schnell eines Besseren belehrt.
Den ersten Stopp legt die achtköpfige Gruppe nach dem Start am Rathaus mitten in der Fußgängerzone ein. „Kennt das jemand?“, fragt die Kräuterfrau und deutet auf ein zartes rosablühendes Pflänzchen, das sich direkt unter einem Mülleimer an einem geschützten Plätzchen angesiedelt hat. Nein, es ist eben kein reines „Unkraut“, wie man es landläufig etwas abfällig bezeichnen würde. Das Weidenröschen punktet mit seiner antibakteriellen Wirkung, klärt Christel Ströbel auf. Eine „wunderbare Pflanze“ bei Nieren-, Blasen- oder Prostatabeschwerden. Männer müssen nun allerdings hoffen, dass ihnen ihre Frauen von der Wirkung berichten, denn der Führung hatten sich nur Teilnehmerinnen angeschlossen.
Ob Ritzen zwischen Pflastersteinen oder die grauen Betonkästen an der „Maf“, in jedem Winkel finden sich Kräuter, die eine ganz unterschiedliche Wirkung entfalten. Wie man mit ihnen natürliche Medizin herstellt, erklärt Christel Ströbel und gerät ob dieser besonderen „Handwerkskunst“ ins Schwärmen: „Kräuter haben eine tolle Wirkung.“ Dazu gehört die zu den Rosengewächsen zählende Nelkenwurz genauso wie der Gundermann und der Spitzwegerich, der sich überall am Wegesrand finden lässt. Im Handumdrehen lernen die Teilnehmerinnen, wie sie die Wirkstoffe aus der Natur optimal in der Notfallapotheke nutzen können: Drei der langstieligen Blätter abzupfen, drehen und verknoten. So lange drücken und rollen, bis der Pflanzensaft austritt. Weil er den Juckreiz lindert, wirkt Spitzwegerich beispielsweise als Auflage auf Insektenstichen Wunder.
Im Schlossgraben stößt Christel Ströbel auf Schritt und Tritt auf Grün, das sich problemlos verzehren lässt. Giersch etwa, der manchen Hobbygärtner in die Verzweiflung stürzt, weil er sich, einmal angesiedelt, kaum wieder aus dem Garten entfernen lässt. Ihn drei Jahre unter schwarze Folie packen oder ihn einfach essen - das sind die beiden Tipps, die die Kräuterfrau auf Lager hat.
Giersch ersetzt Spinat
Ideen für die Küche gibt‘s obendrein: „In jedem Rezept, wo Spinat steht, kann man auch Giersch nehmen.“ Und tatsächlich, gut gekaut, erinnert der nussig, würzige Geschmack nicht nur an Petersilie, sondern entfernt auch an das grüne Gemüse, das bei vielen Kindern nur mit dem berühmten „Blubb“ auf den Teller kommt. Ängste, die Blätter im öffentlichen Grün könnten nicht ganz so sauber sein, wischt Christel Ströbel beiseite. Chemische Farb- und Aromastoffe in Fertignahrung schadeten dem Körper viel mehr, so lautet ihre Ansicht. Sie rät aber, bei Löwenzahn und Co. ausschließlich gesunde Blätter ohne Mehltau und andere Krankheiten zu essen. An mancher Kulturpflanze lässt sie kein gutes Haar und spitzt zu: „Kopfsalat ist im Vergleich zu einer Wildpflanze wie Styropor.“
Bevor die Teilnehmerinnen nach fast zweieinhalb Stunden in alle Richtungen ihrer Wege gehen, hat Sandra Schöne noch ein besonderes Schmankerl für sie parat: Umherstreifen darf die Gruppe auch auf der sonst gut verriegelten Bastion auf dem Schloss, wo die Königskerze am Aufgang Hof hält. Dort hat das Fachseminar auf Hochbeeten jede Menge Kräuter angepflanzt: Oregano und Johanniskraut etwa. Ihre vielfältigen Wirkungen ziehen die Aufmerksamkeit fast mehr auf sich als die atemberaubende Kulisse aus Altem Haus, Martinskirche und Rathausturm.