Bald ist es wieder so weit: Tausende ABC-Schützen werden eingeschult und erleben ihren ersten Schultag – für die meisten ein Erlebnis, das Jahrzehnte im Gedächtnis haften bliebt. Mit dabei ist die obligatorische Schultüte, die den Schulanfängerinnen und Schulanfängern den Beginn versüßen soll.
Während sie bei den einen selbstgebastelt ist, halten andere ein gekauftes Exemplar im Arm. Früher waren oft Obst und Praktisches drin, heute eher kleine Spielsachen und Gegenstände mit Bezug zur Schule.
Bei Spielwaren Schad gehen auch Bücher für Erstleser über den Verkaufstisch und vor allem Lern- und Vorschulspiele zum Rätseln, Ausmalen oder Basteln. Auch Stempel, Leuchtanhänger, Jo-Jos, Glitzer- und Leuchtstifte und kleine Schutzengel als Anhänger sind gefragt. „Im Vergleich zu früher sind die Eltern und Kinder anspruchsvoller in der Auswahl des Inhalts“, berichtet Anette Schad. Gut und gerne koste so was schon mal 200 Euro. „Der Inhalt hat sich kommerzialisiert“, so Anette Schad. Auch bleibe es meist nicht bei einer Tüte, sondern Oma, Tanten und Bekannte füllten eine kleinere Zweittüte, die symbolhaft noch einmal das bedeutungsvolle Ereignis betont.
Passende Sets sind gefragt
Bei Schreibwaren Wall werden oft ganze, einheitliche Sets verkauft, berichtet Jochen Liebrich, Geschäftsführer von Schreibwaren Wall. Dann passt alles, vom Schulranzen über das Mäppchen, den Geld- und Sportbeutel zusammen. Generell hängt es aber an den persönlichen Vorlieben der Kinder, was in die Tüte kommt. Bei Mädchen ist alles rund um Pferd und Einhorn gefragt, möglichst mit viel Glitzer. Bei den sind die Themen Saurier und Pirat hochaktuell. Manchmal müsse es auch was Gruseliges wie Plastikspinnen, Schlangen oder Gruselhände sein, da gebe es zwischen Jungs und Mädchen keinen Unterschied.
Bei den Farbgeschmäcken ist es wie schon in all den Jahren zuvor, sagt Jochen Liebrich: Jungs bevorzugen blaue und grüne Töne, die Mädchen wählen Rosa, Lila, Rot und Gelb. Auch Rohlinge zum Selbstgestalten und für den individuellen Touch gehen bei Schreibwaren Wall ganz gut. „Man merkt, dass die Leute heutzutage weniger Zeit haben und deshalb das Thema Schultüte relativ schnell abgehandelt ist“, so Jochen Liebrich. Die Hauptsaison dafür sei ohnehin im Frühjahr, so kurz vor der Einschulung ist das Thema erledigt, außer bei den Rucksäcken für die Fünftklässler, die ihre Entscheidung erst kurz vor dem Start träfen.
Wachsmalkreiden und Gummitwist sind out
Bei Spielwaren Heiges sind bunte Anti-Stress-Relaxbälle zum Knautschen oder Steckwürfel aus Holz gut gelaufen. „Alles, wofür man Geduld braucht, wird gern genommen“, erklärt Petra Gudowius, Fachverkäuferin bei Heiges. Die Schulen seien extrem pingelig geworden und würden inzwischen die Utensilien und Marken der Stifte so exakt vorgeben, dass wenig Spielraum für anderes bliebe. Mit den bunten Wachsmalkreiden in der Metallbox, die früher häufig in den Tüten steckten, hielten sich die Eltern zurück. Auch einen Trend zu Althergebrachtem wie dem klassischen Gummitwist konnten die Einzelhändler in Kirchheim nicht feststellen.
Von Zuckertüten und Schultütenbäumen
In manchen Gegenden von Deutschland heißt die Schultüte auch Zuckertüte – wegen ihres süßen Inhaltes. Grundsätzlich sind Schultüten mit dem Schulanfang verbunden. Heute werden aber teilweise auch zum Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule oder zum Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums kleine Tüten überreicht.
Für den Brauch gibt es frühe Belege aus dem 18. Jahrhundert aus Sachsen und Thüringen. Der bislang früheste Hinweis stammt aus der Autobiografie des Pastorensohns Karl Gottlieb Bretschneider, der Ende des 18. Jahrhunderts in Gerstdorf bei Hohenstein-Ernstthal in Sachsen eingeschult wurde. Er bekam seine Zuckertüte vom Schulmeister. Über die Einschulung von Johann Daniel Elster 1801 im thüringischen Benshausen hieß es, dass er „nach altem Brauch“ vom Kantor eine große Zuckertüte erhielt. Weitere Nachweise stammen aus Jena im Zusammenhang mit dem Stadtkantor Georg Michael Kemlein (1817), aus Dresden (1820) und Leipzig (1836). Dort erzählte man den Kindern früher, dass in dem Haus des Lehrers ein Schultütenbaum wachse. Wenn sie groß genug seien, sei es höchste Zeit für den Schulanfang. Erst nach und nach setzte sich der Brauch im Süden und im Westen durch. Anfangs überreichten die Paten die Tüten, heute sind es meist die Eltern.
Schultüten sind hauptsächlich im deutschsprachigen Raum bekannt. In Österreich wurde der aus dem protestantischen Raum stammende Brauch erst in nationalsozialistischer Zeit eingeführt. Eine zweite Welle gab es danach in den 1950er-Jahren, als die Bevölkerung wieder etwas wohlhabender wurde. In der DDR wurden sechseckige Tüten bevorzugt.