Als einen „Segen für die Menschheit“ bezeichnete der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha die Produkte von Polymedics Innovations (PMI) bei einem Besuch vor Ort im Kirchheimer Gewerbegebiet Hegelesberg. Die „zweite Haut“ aus Kirchheim hilft weltweit Menschen, die Verbrennungen unterschiedlichen Grades erleiden. Suprathel ist ein spezielles Gewebe, das alle nur denkbaren Funktionen in der Wundversorgung und Wundbehandlung übernimmt: Die Wunden sind dadurch verschlossen und vor Infektionen geschützt. Gleichzeitig wirkt das Material von Anfang an schmerzlindernd. Einen Verbandswechsel, der neue Schmerzen verursacht, die Infektionsgefahr erhöht und die Wundheilung verzögert, braucht es nicht mehr. Das transparente Material lässt jederzeit eine Beobachtung des Heilungsprozesses zu. Am Ende verwächst es mit der Haut, die der Körper neu bildet, und löst sich ab wie natürlicher Wundschorf.
Professor Dr. Heinrich Planck, geschäftsführender Gesellschafter bei PMI, hat das Material gemeinsam mit weiteren Forschern am ITV Denkendorf entwickelt, gefördert mit Mitteln des Bundes, des Landes und der Industrie. „Nachdem die Industrie ausgestiegen ist, haben wir 2001 die Patente übernommen und die Firma PMI gegründet“, erzählt Heinrich Planck und fügt hinzu: „Heute sind wir Weltmarktführer.“ Sein Sohn Christian Planck, seit 2020 ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter, ergänzt: „Uns gibt es schon seit über 20 Jahren. Aber wir fühlen uns immer noch als Start-up.“
Das Wachstum in den vergangenen fünf Jahren war durchaus rasant: „Da haben wir uns vervierfacht.“ Der Hauptabsatzmarkt liegt allerdings weder in Baden-Württemberg noch in Deutschland oder in Europa – sondern in den USA. „Das ist die Realität“, sagt Christian Planck: „Wir entwickeln unsere Produkte zunächst für die USA.“ Patienten in Europa könnten normalerweise erst fünf Jahre später von den Innovationen aus Kirchheim profitieren.
Erfahren, wo der Schuh drückt
Kirchheims Grünen-Abgeordneter Andreas Schwarz, der zugleich Vorsitzender seiner Fraktion im Landtag ist, hatte „seinen“ Gesundheitsminister nicht nur deshalb In seine Heimatstadt eingeladen, um sich gemeinsam über den Erfolg von PMI zu freuen. Wie immer, ging es auch darum, im direkten Kontakt zu erfahren, wo jeweils der Schuh drückt.
Die Zulassungsverfahren für Arzneimittel sind es, die aus Sicht der beiden Unternehmer in den USA deutlich effizienter und schneller ablaufen als in Europa. Die zuständige Behörde verlange in Deutschland erst einmal eine geeignete Studie zur Wirksamkeit des Medikaments. Bei Fragen nach der notwendigen Zielrichtung der Studie heiße es aber nur: „Wir dürfen nicht beraten.“ Entsprechend alleingelassen fühlten sich daher die Betriebe, wenn es darum geht, ihre Entwicklungen auch staatlich anerkannt zu kriegen.
Sind diese Hürden erfolgreich genommen, gibt es das nächste bürokratische Problem: das bundesdeutsche Gesundheitswesen. Niedergelassene Ärzte verschreiben die Produkte aus dem Hause PMI so gut wie gar nicht, weil ihnen sonst – trotz vergleichsweise moderater Kosten – ihr Budget aus dem Ruder läuft.
Für Krankenhäuser dagegen rechnet es sich zum Glück, mit Suprathel zu arbeiten: zum Glück für den wirtschaftlichen Erfolg von PMI, vor allem aber zum Glück für die Patienten. Diesen bleibt sehr viel erspart: viele Schmerzen, aber meistens auch eine Hauttransplantation, die bislang bei Verbrennungen zur Anwendung kam, weil schließlich irgendwo die Ersatzhaut herkommen musste.
Bessere Bedingungen schaffen
Der Besuch aus dem Landtag führt immerhin zu Absichtserklärungen: Die Grünen-Politiker denken darüber nach, ein gemeinsames Expertengremium einzurichten, das sich um Bürokratieabbau in der Medizintechnik kümmern soll. Christian Planck geht es aber auch um bessere Bedingungen für klinische Studien. Er regt an, zu diesem Zweck eine zentrale Stelle zu schaffen. Schließlich arbeiten die Forscher bei PMI an vielen weiteren Produkten zum Wohle der Menschheit – etwa zur Behandlung von Geschwüren oder auch von bösartigen Veränderungen in der Mundhöhle.