Frisch geschnittene Hecken, ruhige Straßen, großzügig geschnittene Häuser und Wohnungen sowie ausreichend Abstand zwischen den Häuserblocks, um genügend Licht und Luft durchzulassen. „Hochwertig, modern, zentral“: Die Versprechungen des Weilheimer Projektentwicklers Fischer Wohnbau und Immobilien (Fiwoim) auf der Website zum Projekt klingen verheißungsvoll. Und tatsächlich wäre der Henriettengarten im Herzen Kirchheims ein Vorzeigequartier, wenn es nicht ein paar gravierende Schönheitsfehler gäbe.
„Manchmal parken hier bis zu 30 Autos“, sagt Anwohner Stefan Wagner. Dabei sollten offiziell so gut wie gar keine Autos dort stehen, nur in einzelnen ausgewiesenen Parkbuchten. Die Straßen zwischen den Häusern sind Spielstraßen, Autos fahren oft zu schnell, doch kontrolliert wird hier nicht. Es findet auch keine Reinigung statt, und im Winter wird kein Schnee geräumt.
Der Grund: Die Stadt Kirchheim hat das Gelände mit den Wegen durch das Viertel noch nicht übernommen. Voraussetzung dafür wäre, dass die Vorgaben des Bebauungsplans erfüllt sind, doch das ist nicht der Fall. „Ein wichtiger Bestandteil des Bebauungsplans ist die Erstellung von Wegeverbindungen zwischen der Henriettenstraße und der Stuttgarter Straße in Richtung Krankenhaus und in Richtung Teckcenter“, sagt Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer. Dazu hätten sich die Vertragspartner verpflichtet.
Das ist neben der Fischer Wohnbau die Firma Unger. Beide sind Nachfolgeeigentümer des früheren Betriebsgeländes der Firma BlessOF, auf dem ein Teil mit dem Henriettengarten bebaut ist. Auf dem anderen steht unter anderem der Eventpark „Stuntwerk“. Dann gibt es noch ein bauliches Hindernis für einen Weg: „Das Niveau des Nachbargeländes ist niedriger, es müsste durch eine Treppe verbunden werden“, sagt Günter Riemer. Es gehe um rund 45 Zentimeter Höhenunterschied.
Ein Bauzaun soll die Anwohnerinnen und Anwohner davon abhalten, den Absatz herunterzuklettern um zum Getränkehändler, zum Baumarkt oder einfach zur Stuttgarter Straße zu gelangen. Eine Anwohnerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, zeigt auf den Drahtverhau, den ein großes Loch ziert: Irgend jemand ist hier eigenmächtig tätig geworden und hat einen Durchgang ermöglicht, wenn auch auf eigene Gefahr, Hosen und Schuhe sind schnell am freistehenden Draht beschädigt. Und ein Teil der Anwohner kann diese „Lösung“ ohnehin nicht nutzen: „Wir haben hier Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind. Die müssen in ihr Auto steigen, wenn sie zum Ärztehaus wollen, und einmal um das Viertel fahren“, sagt die Bewohnerin des Quartiers.
Die neueste Entwicklung erschwert eine schnelle Lösung: Die Fiwoim hat am 27. Mai beim Amtsgericht Esslingen einen Antrag auf Insolvenz gestellt. Derzeit ist Tobias Wahl von der Anchor Rechtsanwaltsgesellschaft Insolvenzverwalter. „Ziel ist, die laufenden Projekte trotz des angeordneten vorläufigen Insolvenzverfahrens in Abstimmung mit den involvierten Stakeholdern (Finanzierer/Auftragnehmer) fertigzustellen“, heißt es dazu förmlich in einer Pressemitteilung. Wie es jetzt konkret im Henriettengarten weitergehen soll, dazu nimmt die Kanzlei keine Stellung.
Ein Ausweg zeichnet sich ab
Doch Bürgermeister Riemer sieht Anzeichen eines Auswegs. „Es gibt eine technische Lösung, bei der auf dem Grundstück der Fiwoim eine Treppe installiert wird. Dazu habe ich vergangene Woche mit den Insolvenzverwaltern gesprochen“, sagt er. Immerhin: Die Lage der Treppe war ein Streitpunkt zwischen den beiden Grundstückseigentümern. Dennoch brauchen die Anwohner Geduld, die Insolvenzverwalter müssen eine Liste abarbeiten: „Wir wissen nicht wie es weitergeht und wer mit welcher Priorität etwas macht. Aber es gibt ein großes Interesse daran, dass wir das Gelände übernehmen“, sagt Riemer.
Gleichzeitig bleiben noch viele Fragen offen, etwa wie die Spielplätze für die rund 30 Kinder im Viertel attraktiver werden können, wann der Bauzaun vor den Sickermulden wegkommt, wann die gestapelten Steine am Wegrand verschwinden oder wann der zugesagte Co-Working-Space fertig wird, in den sich einige Home-Office-Arbeiter aus den angrenzenden Wohnungen sofort einbuchen würden. Und dann sind da noch leer stehende Wohnungen, aus denen Mieter ausgezogen sind, ohne dass sie wieder neu bezogen wurden. Wie der Teckbote erfuhr, sind von 120 Wohnungen auf dem Gelände 35 Eigentumswohnungen und 85 als Mietwohnungen durch die Fiwoim verwaltet worden. Doch es hat von Anfang Schwierigkeiten gegeben, so hätten viele bis heute keine Nebenkostenabrechnungen bekommen, sagt ein Anwohner. Die Eigentümer wiederum haben keinen Ansprechpartner für Baumängel.
Bei all dem Ärger würde vergessen, dass dieses Viertel wirklich gut durchdacht und gelungen sei, sagt die Anwohnerin. Vor allem habe es an der Kommunikation gehapert.
Die Stellungnahme des Unternehmens zum Insolvenzverfahren
„Die Fiwoim GmbH & Co. KG bewegt sich im gehobenen und überwiegend gewerblichen Wohnungsbau in Baden-Württemberg. Nach Hochlauf des Immobilienmarkts bis Anfang 2022 ist der Markt aktuell rückläufig. Als wesentlichen Krisentreiber ist der kurzfristige Nachfragerückgang im gewerblichen Wohnungsbau zu nennen, bedingt durch gesunkene Mietrendite und einem damit verbundenen
Anstieg der Attraktivität risikoärmerer Anlageklassen (bspw. Staatsanleihen)
Flankierende Herausforderungen liegen in den inflationsbedingt gestiegenen Baukosten, der punktuell
noch vorherrschenden Rohstoffknappheit von Vorstufenprodukten sowie den gestiegenen Finanzierungskosten. Vorbezeichnete Krisentreiber und Herausforderungen führten zu der wirtschaftlichen Schieflage der Fiwoim GmbH & Co. KG.“ pm