Ein Kunde war drei Wochen nicht da, weil er Angst hat“, sagt Philipp Hauff Inhaber des Friseursalons Hauff in Kirchheim. Zu lange Haare gab es zuletzt in Corona-Zeiten, diesmal ist kein Virus schuld, sondern ein Pilz. Der Fadenpilz. Er ist unter Experten als Trichophyton tonsurans bekannt und scheint sich in Deutschland auf dem Vormarsch zu befinden. Das bestätigt auch das Gesundheitsamt Esslingen: In den letzten drei Jahren wird er immer häufiger in Laboren und in Hautarztpraxen nachgewiesen. Schätzungen würden bundesweit von einem bis zu 5-fachen Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren ausgehen. Eine Zählung sei wegen der fehlenden Meldepflicht aber nicht möglich – zwei Fälle im Jahr 2024 sind dem Gesundheitsamt dennoch bekannt.
Pusteln, Bläschen, Schuppenschicht
Mit leichten Pusteln und Bläschen auf der Kopfhaut fängt es an. Die Haare werden brüchig und brechen schließlich ab, die Kopfhaut wird von einer Schuppenschicht bedeckt, teilt Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg mit. Im schlimmsten Fall, so das Gesundheitsministerium in Stuttgart, könne ein nicht behandelter Pilzbefall zu dauerhaftem Haarverlust und einer Schädigung des Nagelwuchses führen. Da eine Infektion häufig im Friseursalon und Barbershop stattfinde, machen sich auch Menschen in der Region vor dem neuen Schnitt ihre Gedanken.
In Kirchheim fragen die Kundinnen und Kunden schon: „Wie wird bei Ihnen gereinigt, was wird gemacht“, sagt Hauff. Der Hygienestandart im Friseursalon Hauff sein nach den Worten des Inhabers sehr hoch – und das nicht erst seitdem der Pilz durch die Medien gehe. „Den Salon gibt es seit 90 Jahren, wir wissen, was wir machen“, versichert Hauff. Besonders hoch sei die Infektionsgefahr bei Folienrasieren, die auf null Millimeter eingestellt seien und das Haar direkt auf der Kopfhaut abtrennen würden. Hier müsse ganz besonders auf eine sehr gründliche Desinfektion geachtet werden.
Eine verschärfte Kontrolle in Friseursalons und Barbershops, so das Gesundheitsamt, finde derzeit nicht statt. „Aufgrund der zum jetzigen Zeitpunkt noch geringen Fallzahl von Trichophyton tonsurans wurden die Kontrollen im Landkreis bislang nicht verstärkt. Es wird jedoch jeder Beschwerde nachgegangen“, teilt das Gesundheitsamt Esslingen mit. Derzeit würden die Kontrollen lediglich anlassbezogen erfolgen.
Einwegklingen verwenden
Im Kirchheimer Barbershop „der Professor“ reinige der Inhaber, Iyad Suliman, die Rasierklingen nach jedem Kunden. Auch die übrigen Geräte wie Kamm und Schere würden gründlich gereinigt. In seinem Shop sei nach noch kein Fall aufgetreten, jedoch habe er im letzten Jahr von einem Befund in Kirchheim gehört.
Auch Anil Gülenler, der Inhaber von „Barbershop by Anil“ in Kirchheim, hat bereits von Fällen in der Umgebung erfahren – glücklicherweise aber nicht in seinem Geschäft. Er lege nach seinen eigenen Worten großen Wert auf die höchsten Hygienestandards. „Nach jedem Kunden reinige ich alle verwendeten Werkzeuge gründlich.“ Hierfür nutze er ein hochwirksames Desinfektionsmittel, das speziell gegen Pilze, Viren und Bakterien wirke. Hygienisch verpackte Einwegklingen würden für zusätzliche Sicherheit sorgen. Da der Pilz vor allem mit Barbershops in Verbindung gebracht werde, ist ihm wichtig zu betonen, dass Friseursalons auch zur Einhaltung der Hygienestandards verantwortlich seien.
Schwarze Schafe
Inhaber des Friseursalons Belle Etage in Kirchheim und Obermeister der Friseurinnung Esslingen Nürtingen, Mike Hoffmann, kann das bestätigen. Barbershops und Friseure müssten im gleichen Maße auf die Hygiene achten und seinen dafür verantwortlich, dass der Pilz sich nicht übertrage. Schwarze Schafe gäbe es immer, aber grundsätzlich mache er keinen Unterschied bei der Einhaltung der Hygienestandards.
So überträgt sich der Pilz
Der Pilz wird von Mensch-zu-Mensch oder durch den Kontakt mit infizierten Tieren übertragen, teilt Kai Sonntag mit. Darüber hinaus sind Schmierinfektionen mit kontaminierten Gegenständen, insbesondere Körperpflegeinstrumenten, eine häufige Infektionsquelle. Eine Verbreitung könne über Kopfkissen, Bürsten und Kämme stattfinden oder über nicht gereinigte Haarschneidemaschinen in Friseursalons und Barbershops. Das Gesundheitsamt Esslingen ergänzt: Bei kleinen Verletzungen der Haut, die durch das Rasieren oder das Haareschneiden mit verunreinigten Instrumenten entstehen, könne der Pilz in die Haut eindringen und dort Infektionen auslösen.

