Die Jägervereinigung Kirchheim bringt die Jäger rund um die Teck zusammen. Von Weilheim über Kirchheim bis nach Schlierbach verbindet die Vereinigung die Reviere. Über 300 Jägerinnen und Jäger gehören dem Verein an, der heuer seinen 100. Geburtstag feiert. Pünktlich zu dem großen Jubiläum ist eine Chronik erschienen, die die vergangenen Jahrzehnte bis zurück zur Gründung im Mai 1923 aufarbeitet. Die Geschichte zeigt: Die Jägervereinigung hat sich stark verändert – und doch sind die Aufgaben im Grunde dieselben geblieben.
Mit dem Wandel von der Jagd des Adels hin zum Bürger stieg die Zahl der Jäger und es entstand das Bedürfnis nach einer neuen Art der Organisation und Gemeinschaft. Wie in Kirchheim, wurden so zu Beginn der 1920er-Jahre überall im Land Jagdvereine gegründet. Neben der wichtigsten Aufgabe der Jagd, einen artenreichen und gesunden Wildbestand zu sichern, stand bei den Mitgliedern der Austausch von Ideen, Wissen und Erfahrungen von Anfang an im Mittelpunkt. Doch schon 1934 wurde die Jägervereinigung zwangsweise im Zuge der Gleichschaltung im Nationalsozialismus wieder aufgelöst und mit Nürtingen zusammengefasst.
Hunger trieb in die Wilderei
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es ab 1945 erst einmal vorbei mit der Jagd: Der Besitz von Waffen wurde unter Todesstrafe gestellt. Für die Jäger war das Erlegen von Wild tabu, dafür vertrieben sich die Besatzungssoldaten mit ihren Kriegswaffen die Zeit im Wald und schossen die Reviere leer. Zur selben Zeit litt die deutsche Bevölkerung unter Lebensmittelknappheit, sodass der ein oder andere Jäger so manche Gelegenheit nutzte und mit Waffen, die teilweise in Misthaufen versteckt wurden, wilderte.
Während das Wild in einigen Teilen des Landes vor der Ausrottung stand, nahmen andernorts die Schäden auf Wiesen und Feldern vor allem durch Wildschweine in solch einem Ausmaß zu, dass Jagd und Waffenbesitz ab den 1950er-Jahren wieder erlaubt wurden.
Als die Militärverwaltung jagdliche Vereine wieder zuließ, waren Kirchheim und Nürtingen noch immer „zwangsverheiratet“. Im März 1952 trennten sich die beiden Vereinigungen aus dem unfreiwilligen Bund. Seitdem vertritt die Jägervereinigung die Interessen der Jagd und Jäger im Großraum um Kirchheim.
Traditionen werden gepflegt
Seit jeher pflegt die Jägervereinigung alte Traditionen. Die Jagdhornbläsergruppe, die schon im Gründungsjahr des Vereins ins Leben gerufen worden war, erfreut sich bis heute großer Beliebtheit und darf auf keiner Veranstaltung fehlen. Entsprechend dem alten Sprichwort „Jagd ohne Hund ist Schund“ führen nach wie vor sehr viele Jäger Jagdhunde, und die Vereinigung bietet Ausbildungskurse und Prüfungen an, zu denen sich Mitglieder weit über die Teckregion hinaus anmelden. Neben dem Einsatz für wildtierfreundliche Wälder und Wiesen bietet der Verein seinen Mitgliedern zahlreiche Fortbildungen, die sich der Jagdpraxis, insbesondere dem Schießtraining, widmen. Hinzu kommen moderne Themen wie Kitzrettung mit neuster Technik und die systematische Erfassung von Wildbeständen, Wildmonitoring genannt.
Den Nachbarjägervereinigungen wie Nürtingen und Göppingen ist die Jägervereinigung Kirchheim dabei freundschaftlich verbunden und zieht mit ihnen im gemeinsamen Dachverband bei Themen, die über eine örtliche Jägervereinigung hinausgehen, an einem Strang.
Nicht zuletzt tritt die Jägervereinigung in Erscheinung, wenn Wildbret als Fleisch von artgerechter Herkunft aus der Region gesucht wird. Der Verein vermittelt Käufer und Verkäufer. Dabei ist ein Netzwerk mit Gastronomen, Metzgereien und Privatpersonen entstanden, deren Produkte sich schlussendlich auf den Tellern der Bürgerinnen und Bürger rund um die Teck wiederfinden.
Wildtiere als Nachbarn?
Kirchheim. Die Jägervereinigung Kirchheim setzt sich als Organisation für eine wildtierfreundliche Landschaft ein, teilweise mit ihrem Dachverband. Welche Themen dazu gehören, schildert Kreisjägermeister German Kälberer.
Wofür machen sich die Jäger stark?
German Kälberer: Ohne die Jagd wären weder Forst- noch Landwirtschaft möglich. Gleichzeitig nimmt die wirtschaftliche Nutzung durch die Veränderung der Biotope einen großen Einfluss auf Natur und Wild. Wildschweine finden in den Äckern Nahrung, der Feldhase hingegen verliert seinen Lebensraum. Gleichzeitig zieht es Waschbären und Füchse in die Siedlungen.
Was erleben Sie dort?
Kälberer: Vielen erscheint es unnatürlich, dass es Wildtiere im Garten gibt. Ich werde häufig angerufen, um mich um „Probleme“ wie den Waschbären zu kümmern. Er mache Dreck, das verträgt sich nicht mit dem gepflegten Garten. Gleichzeitig werden Natur und Wald unreflektiert für Freizeitvergnügungen genutzt. Wir wirken dem auch mit unserer Initiative „Lernort Natur „entgegen: Schon den Kindern wollen wir Wald und Natur näherbringen, das darf aber bei den Erwachsenen nicht aufhören.
Wo hakt es noch?
Überregional wird die Rückkehr von Arten wie Luchs, Wolf und Biber allgemein begrüßt. Das passt aber nicht dazu, dass der Rothirsch nicht erwünscht ist.
Wie meinen Sie das?
Die antiquierte Rotwildverordnung von 1958 muss endlich überarbeitet oder am besten ganz aufgehoben werden: Der Rothirsch darf nur auf vier Prozent der Landesfläche leben. Ein Teil ist eingezäunt. Außerhalb dieser Flächen muss das Rotwild laut Verordung getötet werden.
Haben wir zu wenig Landschaft?
Im Biosphärengebiet hätten wir einen geeigneten Lebensraum. Aber auch das ist ein Spezialfall: Meistens gibt es eine große Kernzone. Wir haben viele kleine. Die kann man nicht über einen Kamm scheren: Dass es dort ohne Jagd nicht geht, ist anerkannt, doch es ist ein Unterschied, ob es sich um einen Steilhang handelt oder den Truppenübungsplatz. Wir sollen dort jagen, aber bitte ohne reinzugehen.
Wie geht Tier- mit Naturschutz?
Wir haben uns damals beim Schopflocher Moor massiv mit einem vernünftigen Bejagungskonzept, das mit dem Schutz des Moors korrespondiert, eingebracht. Beim Biosphärengebiet sind wir dran. Wir haben auch eigene Projekte, wie auf der Hahnweide zum Erhalt der letzten Rebhühner in Kirchheim. kd