Kirchheim
Jede Mahlzeit muss geplant werden

Zuckerkrankheit Als Jonas Bindig vor einem Jahr seine Diabetes-Diagnose bekam, stellte sich das Leben der ganzen Familie auf den Kopf. Jetzt möchten der Elfjährige und seine Eltern anderen Betroffenen Mut machen. Von Silja Kopp

Sich selbst die Spritze geben: Das wäre für viele Menschen der Horror. Der elfjährige Jonas Bindig hat das wegen seiner Erkrankung schon oft gemacht. Er wohnt mit seinem Bruder und seinen Eltern in Kirchheim. Der Schüler spielt leidenschaftlich gerne Basketball. Vor einem Jahr hatte er plötzlich immer weniger Kraft für den Sport. Dann kam die Schockdiagnose: Diabetes Typ 1.

Die Autoimmunerkrankung tritt im Kindes- und Jugendalter auf. Der Körper schafft es nicht mehr, das Hormon Insulin herzustellen und den Blutzucker zu verwerten. Betroffene müssen sich täglich vor dem Essen mit Insulin spritzen, sonst würde die Erkrankung tödlich enden. Heilbar ist diese Form von Diabetes noch nicht. Warum Menschen daran erkranken, ist bis heute ebenfalls noch nicht geklärt. Jedoch wird Diabetes Typ 1 nicht durch ungesunde Ernährung ausgelöst.

Für Familie Bindig war die Erkrankung ihres Sohnes ein großer Schock. „Uns ist am Anfang aufgefallen, dass Jonas immer dünner wurde. Wir dachten aber, das sei in seinem Alter normal“, sagt seine Mutter Andrea Bindig. Nachdem ihr Sohn bei einem Spaziergang fast zusammengebrochen ist, machte sie einen Arzttermin aus. Der Mediziner stelle einen ungewöhnlich hohen Blutzuckerwert und eine Stoffwechselentgleisung fest. Jonas Bindig kam daraufhin ins Krankenhaus. „Innerhalb von 48 Stunden erhielten wir dann die Diagnose Diabetes Typ 1“, erzählt Vater Frank Bindig.

Das bedeutete eine große Veränderung für die Familie. Vor jeder Mahlzeit mussten die Kohlenhydrate ausgerechnet werden. Die Menge an Insulin wird daran exakt angepasst. Zu wenig Insulin im Körper ist lebensgefährlich, genauso wie eine Überdosis. Jonas Bindig spritzte sich das Hormon anfangs jeden Morgen und Abend selbst in die Haut. Mittlerweile hat er eine Insulinpumpe an seinem Körper und technische Geräte, die ihm bei der Berechnung seiner Mahlzeiten helfen.

„Ein Diabetiker muss sich ernährungstechnisch nicht einschränken. Jedes Essen ist aber mit einem großen Aufwand verbunden. Und das Management von Diabetes erschlägt das Kind zu Beginn“, erklärt Frank Bindig. Auch den Eltern hat die Krankheit am Anfang viele schlaflose Nächte bereite.  

„Ich merke es nicht, wenn ich Unterzucker habe. Mir wird erst sehr spät plötzlich schwindelig“, erzählt Jonas Bindig. Deshalb überprüft Frank Bindig um Mitternacht oft kurz die Insulinwerte seines Sohnes. Morgens kümmert sich die Mutter um die Planung für das Essen. „Im Prinzip bin ich die Frühschicht und mein Mann ist die Spätschicht“, sagt Andrea Bindig. Ziel der Eltern ist, dass ihr Sohn alles irgendwann alleine meistern kann. 

Der Alltag ist gut zu meistern

Trotz seiner Krankheit kommt Jonas Bindig gut im Alltag zurecht. „Ich habe mich jetzt daran gewöhnt“, sagt er. Auch seine Freunde unterstützen ihn in der Schule. Mit ein paar Pausen und einem zuckerhaltigen Getränk während des Trainings kann der junge Basketballer seinem liebsten Hobby weiter nachgehen.

Die Kirchheimer Familie hofft, dass die Hilfsmittel für Diabetiker zukünftig verbessert werden und es weitere Fortschritte gibt. Trotzdem haben sie einen Weg gefunden, mit der Krankheit umzugehen. „Wir wollen mit unserer Geschichte anderen Diabetikern Mut machen. Das Diabetes-Management ist zwar nervig, aber wir können damit leben!“, sagt Andrea Bindig. 

 

Info: Hilfe für junge Diabetiker und Diabetikerinnen 

Die gemeinnützige Stiftung Dianiño hilft Kindern mit Diabetes Typ 1 und deren Familien in ganz Deutschland schnell, kostenlos und unkompliziert. In Abstimmung mit dem behandelnden Arzt oder Diabetes-Team können Betroffene Unterstützung oder zusätzliche Betreuung auch online anfragen unter www.Stiftung-dianino.de.

Hilfe für Kinder mit Diabetes Typ 1 und deren Angehörige findet man bei der Selbsthilfevereinigung von Eltern diabetischer Kinder und Jugendlicher in Stuttgart. Den Verein Kinder Diabetes Stuttgart findet man unter www.kidis-ev.de. Es werden unter anderem Schulungen und regelmäßige Treffen sowie Familien-Events angeboten.