Jedes Jahr das Gleiche: An vielen Schulen ist es Pflicht, die Bücher in eine Hülle zu stecken, damit sie mehrere Schuljahre überstehen.
Auch an der Freihof-Realschule in Kirchheim legt man Wert darauf, dass es diesen Schutz gibt. So weit, so gut, doch halten die Kunststoffhüllen meist nur ein Schuljahr. „Dann sind sie oft so kaputt, dass man sie wegschmeißen kann. Und man muss sich im neuen Jahr wieder Hüllen kaufen“, sagt Kai Sonntag, Vorsitzender des Fördervereins der Freihof-Realschule. Doch er und seine Frau dachten, dass es so nicht weitergehen kann. „Irgendwie muss man doch die Bücherumschläge selbst nähen können“, überlegte Marion Rau. Doch was fehlte, war das passende Material. Auf einer Kreativmesse im November vergangenen Jahres fand das Paar dann die Lösung: „Dort wurden Sachen aus Markisenstoffen genäht. Somit war uns klar, das funktioniert.“ Marion Rau testete sofort die Idee und besorgte sich Markisenreste - und siehe da, der Stoff ist nicht nur wasserabweisend, sondern lässt sich auch gut vernähen. Die Mitglieder des Fördervereins hatten noch eine weitere originelle Idee: „Jemand hat vorgeschlagen, dass wir auch Kinobanner für die Umschläge nehmen können, die werden eh später nur weggeschmissen“, erzählt Kai Sonntag.
„Bei einem Elternabend haben wir dann eine Umfrage gemacht, ob Eltern bereit wären, wiederverwendbare Bücherumschläge zu nähen“, sagt Kai Sonntag. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Auch der Rektor der Schule, Clemens Großmann, fand die Idee klasse und war bereit, den Nähraum der Schule für das Projekt bereitzustellen. Auch ein Kino in Stuttgart bot seine Hilfe an und spendete die Banner. Doch bevor es an die Produktion der Umschläge ging, stellte Marion Rau die ersten Prototypen her: „Ich musste einige vorher nähen, damit ich sehe, wo die Fehlerquellen sind.“
In den Faschingsferien sollte es losgehen, doch durch den Beginn der Pandemie wurde das Projekt erstmal auf Eis gelegt. „Der Rektor hat uns gebeten, Masken zu nähen - was wir natürlich gerne gemacht haben“, sagt Marion Rau. 400 Masken wurden unter ihrer Leitung gefertigt, und „dann ging es nahtlos weiter mit den Umschlägen“, erinnert sich die Heilpraktikerin. „Ich hatte Schnittmuster aus Holz und Metall hergestellt, damit man nicht immer neu messen muss“, sagt Kai Sonntag, denn exaktes Arbeiten ist enorm wichtig. „Da kommt es auf jeden Zentimeter an“, fügt seine Frau hinzu. Sind die Umschläge an einer Seite zu breit, „schlappert“ das Buch hin und her. Eine besondere Bedeutung bei der Hüllen-Herstellung kam der Aufteilung der Helfer zu: „Nicht jeder näht gerne. Bei uns war es wie am Fließband: Die einen haben den Stoff zugeschnitten, die anderen die Kanten gebügelt, dann ging es an die Nähmaschine“, erklärt sie.
Kinohelden schmücken die Bücher
Mit den Kinobannern lief es anfangs nicht ganz optimal: „Die waren so dreckig, die mussten wir in der Waschmaschine erstmal waschen“, sagt Marion Rau. Da waren einige Wäschetrommeln zu füllen - bekommt man doch aus dem riesigen Plakat von fünf auf sechs Metern 100 Hüllen raus. Doch die Mühe hat sich gelohnt. „Die Kinoplakatumschläge sind natürlich ein richtiger Hingucker“, freut sich der Vorsitzende des Fördervereins. Da ist auch für jeden etwas dabei: Zwerge, Blumen, Comicfiguren, aber auch Panzer schmücken künftig die Bücher der Schüler. Bei der Einschulung können sich die Fünftklässler überraschen lassen, aber auch an Elternabenden hat man die Chance, sich solch ein Unikat zu besorgen.
Wenn es nach Marion Rau geht, soll das Nähen jedoch noch nicht vorbei sein. „Ich finde, man muss wieder mehr Praxis in der Schule haben.“ Sie könnte sich gut vorstellen, eine Näh-AG anzubieten. „Auch nächstes Jahr werden wieder Umschläge gebraucht. Und man kann ja aus den Kinobannern und Markisenstoffen auch andere Sachen nähen wie Mäppchen oder Turnbeutel“, sagt sie.
Weitere Infos zu den Bücherumschlägen gibt es unter der Mailadresse foerderverein@freihof-rs.de