Die Zahl der registrierten Menschen in den Landeserstaufnahmestellen (LEA), die aus den Kriegsgebieten in der Ukraine nach Baden-Württemberg geflüchtet sind, steigt rasant. Trotzdem verzeichnet der Landkreis im Moment noch einen eher moderaten Zulauf. Vor allem deshalb, weil das Land seine Kapazitäten in den LEA mit rund 12 000 Plätzen fast verdoppelt hat. Am Dienstag waren davon etwa noch 5000 frei. Der Druck jedoch wächst, die Geflüchteten möglichst rasch auf die Landkreise und Kommunen zu verteilen.
Laut Landratsamts-Sprecherin Andrea Wangner sind bis heute 1242 Kriegsflüchtlinge hier im Landkreis registriert. In Kirchheim hat sich die Zahl der amtlich Erfassten in den zurückliegenden beiden Wochen mit rund 130 mehr als verdoppelt. Die Registrierung läuft allerdings vielerorts schleppend. „Bisher sind alle Menschen, die sich bei uns gemeldet haben, nur grundlegend erfasst“, sagt der Sprecher der Stadt, Robert Berndt. Um die Registrierung mit Fingerabdrücken und biometrischen Daten wie vorgeschrieben abzuschließen, müssen alle in den kommenden Wochen noch einmal im Rathaus erscheinen. Der Grund: Das Verfahren ist zum einen zeitraubend. Zudem haben die Kommunen wenig Erfahrung damit. Weil die Rathäuser bisher nicht für die Registrierung von
in Betracht ziehen müssen.
Esslingen zur Hälfte belegt
Nachdem vor zwei Wochen die ersten hundert Geflüchteten aus der Ukraine im Aufnahmezentrum des Landkreises in Esslingen-Zell angekommen sind, wurden am Dienstag weitere hundert von der Erstaufnahme bei der Landesmesse ins frühere Impfzentrum in der Zeppelinstraße umverteilt. Die 400 Plätze dort sind damit zur Hälfte belegt. „Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir die Leute auf die Kommunen verteilen können“, sagt Landratsamts-Sprecherin Andrea Wangner.
Marc Lippe, Bezirksgeschäftsführer der Malteser, organisiert mit seiner Mannschaft auf der Messe und in Esslingen wie schon bei der Flüchtlingswelle vor sechs Jahren die medizinische Versorgung. Was diesmal anders ist: Damals litten viele, die teilweise Wochen oder gar Monate auf der Flucht waren, unter akuten Erkrankungen. „Die große Mehrheit der Leute, die jetzt kommen, war nur wenige Tage unterwegs und ist gesundheitlich in gutem Zustand“, sagt Lippe. Überraschend auch: Trotz der geringen Impfquote von nur 35 Prozent in der Ukraine, haben etwa 80 Prozent der in Esslingen untergebrachten Menschen einen vollständigen Impfschutz. Etwa die Hälfte davon allerdings mit Wirkstoffen russischer und chinesischer Hersteller, die in Deutschland bisher nicht anerkannt sind. Die Kontrolle ist zudem schwierig, weil Impfnachweise meist nur in Papierform und häufig in kyrillischer Schrift vorgelegt werden. Die Ständige Impfkommission denkt jetzt darüber nach, die Vakzine zumindest als Grundimmunisierung anzuerkennen. Den Helfern brächte das Entlastung. „Damit könnten wir uns auf eine Auffrischungs-Impfung beschränken“, sagt Marc Lippe.
Kreisweit geht derweil die Suche nach Unterkünften weiter. Aus den Kommunen wurden dem Landratsamt bisher etwa 500 Plätze gemeldet. Dazu gibt es Listen mit Hotels, die Zimmer zur Verfügung stellen. Weil der Landkreis bei der Unterbringung auch dann in der Pflicht steht, wenn die Städte und Gemeinden an Grenzen stoßen, muss er auch seine eigenen Kapazitäten erweitern. Im Moment liefen noch Verhandlungen über 300 weitere Plätze in einer größeren Unterkunft, berichtet Andrea Wangner. „Sollte sich die Lage in der Ukraine nicht entspannen“, sagt sie, „werden wir mittelfristig auch die Belegung von Kreissporthallen als Möglichkeit in Betracht ziehen müssen.“
Die bestehenden festen Sammelunterkünfte helfen dem Kreis nicht weiter. Sie sind entweder voll oder kommen nicht infrage, weil die Strukturen dort auf Geschlechter oder bestimmte ethnische Gruppen zugeschnitten sind. Mit seinen Notquartieren stieß der Landkreis schon zum Jahresende, also lange vor Beginn des Überfalls auf die Ukraine, an Kapazitätsgrenzen. Ungeachtet der Situation in der Ukraine kommen weiterhin auch Menschen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Irak hier an.
Große Mehrheit sind junge Mütter
Bei rund 90 Prozent der Schutzsuchenden aus der Ukraine, die im Aufnahmezentrum des Landes auf der Fildermesse untergekommen sind, handelt es sich um junge Frauen mit Kindern. Viele davon geben Deutschland als ihr Wunschland an und wollen dauerhaft hier bleiben – unabhängig von der Entwicklung in ihrer Heimat.
Die Halle 9 der Fildermesse, wo bis Herbst vergangenen Jahres noch eines von zwei Impfzentren im Landkreis Esslingen untergebracht war, dient seit rund zwei Wochen als kleineres Erstaufnahmezentrum des Landes in Zuständigkeit des Stuttgarter Regierungspräsidiums. Es dient als eine Art Puffer zwischen den Landkreisen und den großen Landeserstaufnahmestellen (LEA) wie in Karlsruhe, Heidelberg oder Sigmaringen. Auf mehr als 10 000 Quadratmetern finden hier bis zu 800 Menschen eine Notversorgung. Wie das Aufnahmezentrum des Landkreises in der Esslinger Zeppelinstraße ist auch die Messehalle im Moment zur Hälfte belegt. bk