Können uns Geschichten aus der Bibel heute noch etwas sagen? Und wie! Diese Botschaft geht uns alle an.
In nur 50 Minuten hat die mitreißende Aufführung des Kindermusicals „Joseph und seine Brüder“ das gebannt lauschende Publikum in der Kirche Maria Königin zum Träumen, aber auch zum Nachdenken gebracht. Der Stoff, aus dem die Texterin und Komponistin Christine Gschwandtner das Stück komponiert hat, biete Gelegenheit für eine ganze Netflixserie: Liebe, Eifersucht, Verrat, Hungersnot, Hinterlist, Versöhnung und Verzeihen. Das alles wurde vom Katholischen Kinder- und Jugendchor Kirchheim begeistert umgesetzt.
42 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 17 Jahren erfüllten die Handlung mit pulsierender Musik und Spielszenen in rasch veränderten Bühnenbildern. Vor dem Hintergrund der faszinierenden Welt des Alten Ägyptens und Israels entfaltet Christine Gschwandtner in drei Szenen farbig und abwechslungsreich die biblische Geschichte – großartige Gelegenheiten für die jungen Akteure, ihre Spielfreude, ihre Fähigkeiten als Sängerin, als Sänger oder Sprecherin und Sprecher zu zeigen. Die interessanten, musikalisch vielfältigen Chor- und Solopartien wurden mit klaren Stimmen, hoher Wortverständlichkeit und schöner Höhe durchweg auswendig vorgetragen.
Ob als Ägypterin oder Ägypter, als Pharao, Israelitin oder Israelit, als Mitglied der Karawane oder als Bruder von Joseph – die Darstellerinnen und Darsteller gingen in ihren Rollen auf und verkörperten diese glaubwürdig. Die einzelnen Werknummern wurden nicht nur „abgeliefert“, sondern dargestellt. Eingängige Songs wie „Auf allen meinen Wegen“ oder das bestimmte „Nein, ist das denn die Möglichkeit“, die „Karawanenmusik“ oder „O Herr, wir sind zwölf Brüder“ lieferten eindrückliche Beispiele für die chorische Präsenz.
Ein Highlight der Aufführung war zweifellos der Rap des Joseph, als er im „Gefängnis“ saß. Präzise in Text und Rhythmus verlieh Nils Hienerwadel als Joseph der Verzweiflung und Wut der Hauptperson realistischen Ausdruck. Chor und Band bildeten die ideale Grundlage dazu. Die Sprecherinnen und Sprecher waren durchweg sehr gut zu verstehen und füllten ihre Rollen mit Überzeugung. Besonders zu erwähnen die „Pharaonin“, Ronja Frey. Ein großes Lob an alle, von den Kleinsten bis zu den Großen, die den Spannungsbogen so lang aufrechterhalten konnten.
Wunderbar getragen wurde das Ensemble durch Vollblutmusikerinnen und -musiker der Band mit Irina Hornung an der Violine, Agnes Gindele mit ihrer Querflöte sowie Thomas Gindele am E-Piano. Mit schönem Wohlklang und rhythmischer Genauigkeit verliehen sie der Musik melodische und harmonische Kontur, ob in der Ballade „Auf allen meinen Wegen“, als „Karawanenmusik“ oder als Percussiongrundlage für den „Joseph-Rap“.

Ganz besondere Anerkennung gebührt dem großartigen Bühnenbild. Monika Znaimer verstand es, mit viel Kreativität, Einfallsreichtum und Liebe zum Detail die beengte Raumsituation in der Kirche in stimmungsvolle Szenenbilder zu verwandeln. So zog in der ersten Szene sogar eine „Karawane“ samt Kamel durchs Kirchenschiff. Die Tontechnik mit Ulrich Thelen am Mischpunkt sorgte für den perfekten Ton, die ausgewogene Balance, sowohl bei den Soloteilen als auch bei den rasch wechselnden Szenerien.
Alle musikalischen Fäden liefen in bewährter Weise beim Chordirigenten, Kirchenmusikdirektor Thomas Specker, zusammen. Eine glückliche Hand hatte er bei der Auswahl der Stücke bewiesen, die perfekt zu „seinem Chor“ passten. Die sorgfältige Probenarbeit zahlte sich beim Chorklang aus, der sich sehr ausgewogen, mit überzeugender Präsenz und guter Aussprache präsentierte. Bei seinem unaufgeregten, klaren Dirigat mit präzisen Einsätzen wussten sich alle in besten Händen.
Dass der Chor auch „klassisch-liturgisch“ kann, bewies er mit der wortdeutlichen Wiedergabe der „Schweriner Kinderchormesse“ von Christian Domke. Eine gelungene Komposition, die Kinder und Jugendliche mit schönen Kantilenen, mal eher ruhig, dann aber auch mit energischem, rhythmischem Zugriff, begeistern kann. Aus der geschlossenen, überzeugenden „Mannschaftsleistung“ seien noch die Solistinnen Franziska Frodl, Katrina Bodlée sowie Emma Wacha hervorgehoben. Der langanhaltende Schlussapplaus bescherte der Zuhörerschaft nochmals das Zuversicht ausstrahlende Schlusslied „Auf allen meinen Wegen“. Ein sehr gelungener Auftakt für die Veranstaltungen zum 60-jährigen Jubiläum der Kirche Maria Königin.