Kinos tun sich schwer. Ihre Glanzzeiten sind längst vorbei. Das heißt nicht, dass gar niemand mehr ins Kino gehen würde. Aber es ist kein Massenphänomen mehr, wie das noch in den 50er- oder 60er-Jahren der Fall war. Erst recht und besonders schwer tun sich Kinos in Zeiten der Pandemie. Da nutzt es auch nichts, wenn aus dem Kirchheimer Stadtkino schon vor langer Zeit eine Party-Location geworden ist, in der nur noch sporadisch Filme laufen: Unter monatelangen Lockdown-Bedingungen gibt es weder Kino noch Party.
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Als ob das alles nicht genug wäre, gibt es jetzt noch eine weitere Schwierigkeit: Der gesamte Gebäudekomplex des Stadtkinos steht zum Verkauf. Mit dem großen Veranstaltungsraum könnte es dann ebenso schnell vorbei sein wie mit der Bar „Filmriss“. Mögliche Käufer würden das Areal kaum übernehmen, um alles so weiterlaufen zu lassen, wie es ist.
Ein Teil des Charakters der Stadt
Der Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen Esslingen, der Weilheimer Nico Baumgart, hat deswegen die Initiative ergriffen und unter der Adresse www.openpetition.de/petition/online/filmriss-retten eine Online-Petition gestartet. Ziel ist es, die Stadt Kirchheim dazu zu bringen, dass sie das Gebäude aufkauft, um den jüngeren Menschen in und Kirchheim auf diese Art und Weise ihren „Party-Raum“ zu erhalten. In einem kurzen Videoclip zur Petition bewirbt Nico Baumgart den „Club im Kino“ als etwas ganz Einmaliges, als „einen Teil des Charakters unserer Stadt“. Corona sei irgendwann vorbei – „und dann wolln wir feiern gehn“. Das gehe aber nicht, sollte „der“ Club in Kirchheim bis dahin abgerissen sein. Die Aktion „Save the Riss“ soll den Club retten.
Michael Holz, Betreiber von Stadtkino und „Filmriss“, zeigt sich „überrascht“ von der Petition, positiv überrascht: „Auch junge Leute machen sich Gedanken darüber, dass Kirchheim sich zu einer Seniorenstadt entwickelt.“ Einen vergleichbaren Veranstaltungsort wie das alte Kino gebe es in der Stadt nicht. Derzeit fehle es aber an einem Konzept für das Gebäude – und für das gesamte Areal. Michael Holz denkt dabei nicht nur an sich und seine Branche. Auch der Tafelladen ist momentan in dem Komplex untergebracht: „Wenn das Gebäude also noch mindestens fünf Jahre stehen bleibt, wäre das auch für den Tafelladen gut.“
Was Veranstaltungen in der Stadt betrifft, führt für Michael Holz ohnehin kein Weg am Stadtkino vorbei. Wenn irgendwann erste Lockerungen den Weg aus dem Lockdown weisen, braucht es immer noch große Säle, in denen sich nach wie vor die Abstandsregeln einhalten lassen: „Ins Stadtkino bringen wir auch mit Abstand 100 Leute rein.“ Er denkt deswegen auch an Kooperationen mit der Bastion, die in absehbarer Zeit kein so großes Publikum in ihrem Keller unterbringen kann.
Für 1,2 Millionen Euro steht das Stadtkino-Gebäude zum Verkauf, sagt Michael Holz – und fügt hinzu: „Das ist viel zu viel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand diesen Preis bezahlt.“ Andererseits ist ihm aber auch klar, dass sich das Gebäude keiner anderen sinnvollen Nutzung zuführen lässt, unabhängig davon, ob und an wen es verkauft werden würde: „Da gibt es den Tafelladen, das ,Filmriss’, das Kino, den Vorführraum und noch ein paar Nebenräume. Wenn das so noch ein paar Jahre weiterlaufen könnte, ginge das über den Bestandsschutz.“
Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader hat sich ebenfalls schon mit der Thematik beschäftigt, wie auch mit der Petition, die an ihn gerichtet ist. „Die Sache ist nicht ganz unproblematisch“, sagt er. „Da geht es auch um die Lauter nebenan und um die Frage, ob sich der Lauf der Lauter an dieser Stelle langfristig umgestalten lässt.“ Die andere Frage, ob die Stadt das Gebäude erwerben könnte, will er unvoreingenommen angehen.
„Nächste Woche gibt es ein Gespräch mit der Maklerin“, teilte Pascal Bader nun im Ausschuss für Infrastruktur, Wirtschaft und Umwelt mit. Weil der Komplex in einem Sanierungsgebiet liegt, hat die Stadt ein Vorkaufsrecht, das sie ausüben könnte. Ohne eine Lösung vorwegzunehmen, unterstützt der Oberbürgermeister aber schon einmal die Petition als solche – ähnlich wie Michael Holz: „Ich finde es gut, wenn sich Jugendliche da so deutlich artikulieren und sich für den Erhalt einsetzen.“
Das Stadtkino gibt es seit Ende 1955
1955, einen Tag vor Heiligabend, wurde das Kirchheimer Stadtkino mit dem Film „Dunja“ eröffnet. Beworben wurde der Eröffnungsfilm im Teckboten unter anderem mit dem Hinweis auf Karlheinz Böhm, mit dem Prädikat „wertvoll“, mit dem Hinweis, dass Jugendliche unter 16 Jahren nicht zugelassen sind, und mit der Aktualität: „Gestern Uraufführung in Hannover, heute in Kirchheim!“
Am 13. Oktober 1955 hatte der Teckbote gerade erst über das Richtfest geschrieben – unter dem Titel „Richtbaum auf dem neuen Kino beim Löwen“. Von „manchen Schwierigkeiten“ bei der Erstellung war dabei die Rede, nicht alles habe immer termingerecht geklappt.
50 Jahre nach der Eröffnung stand das Stadtkino vor dem Aus. Mehrfache Rettungsversuche scheiterten. 2007 kam das endgültige Ende. Vier Jahre später, im Frühjahr 2011, hat der Gastronom Michael Holz das Kino als Pächter übernommen und in einen Veranstaltungssaal umfunktioniert. Wie es nun mit dem Gebäude weitergeht, wird sich zeigen. vol