Kirchheim. Der bei München lebende Pianist Dinis Schemann hat mit seinem Soloprogramm das Publikum in der Stadthalle mit Werken von Beethoven, Schubert und mitreißenden Klängen aus Südamerika begeistert. Er zeigte sich als Meister kraftvoller Gefühle, beeindruckte gleichermaßen in den lyrischen Momenten und ließ immer wieder seine Virtuosität aufblitzen. Zum Höhepunkt wurde der Parforce-Ritt durch exotische Gefilde im zweiten Programmteil – gleichsam als musikalisches Kaleidoskop im Puls Südamerikas.
Den Auftakt des Klavierabends bildete die Sonate in c-Moll op. 13 „Pathétique“, in der Ludwig van Beethoven als glühender Anhänger der französischen Revolution sein Aufbegehren und seinen Freiheitsdrang in wilden Akkordschlägen musikalisch ausdrückte. Das berühmte Werk bietet Pianisten die Chance, im Sinne des Dualismus zwei Ausdrucksebenen aufeinander prallen zu lassen – die dramatisch-eruptive und die sanglich-weiche Ebene. Dinis Schemann gelang es, in der langsamen Grave-Einleitung die kühnen wie packenden Kontraste über dramaturgische Spannungsbögen zu mächtigen Klanggipfeln aufzutürmen.
Fein gestaltete er die Binnendynamik, das Auf- und Abebben der Lautstärke, mit weichem Anschlag. Der schnelle Satz „Allegro di molto e con brio“ geriet leider aus den Fugen. Er wirkte durch das zu schnell gewählte Tempo hektisch und der Hörgenuss war durch verschluckte oder fehlerhafte Töne eingeschränkt. Im „Adagio cantabile“ atmete Schemanns Spiel Weite und Tiefe der Empfindung, er war hier souveräner Gestalter des „Beethoven’schen Gesangs“.
Inbegriff romantischer Musik
Die Musik des Romantikers Franz Schubert liegt dem Künstler, er liebt sie, das hörte man bei der Interpretation von dessen „Vier Impromptus op. posth. 142, D 935“. Im „Allegro moderato“ hätte man sich gewünscht, dass die sangliche Melodieführung in der rechten Hand gegenüber der Begleitung der linken Hand etwas mehr hervorgehoben wird. Das bekannte Impromptu As-Dur wurde gleichsam als „Inbegriff der Musik der Romantik“ zum besonderen Hörerlebnis für die Zuhörerinnen und Zuhörer. Da stimmte alles. Der Künstler und sein Instrument verschmolzen zur Einheit. Die kultivierte Anschlagstechnik gefiel in den leisen Passagen, ebenso in den fein abgefederten Forte-Ausbrüchen, und herrlich ertönte das Wogen und Rauschen des Flügels im Mittelteil.
Im „Andante mit fünf Variationen“ zog Schemann das Publikum mit einer breiten Palette des Ausdrucks und einem farbigen Klangspektrum in seinen Bann. Der fröhlich-verspielte helle Duktus in Variation 2 wurde in der Moll-Variation kontrastiert durch dunkle schwermütige Klänge, die zur psychischen Verfassung des späten Schuberts passten. Wermutstropfen waren ab und zu falsche Töne.
Der Musikwissenschaftler Dr. Bernhard Moosbauer gab vor dem Konzert eine Einführung zu Schuberts Impromptus, die sich großer Resonanz erfreute. Durch seine portugiesischen Wurzeln hat Dinis Schemann einen engen Bezug zur Musik aus Südamerika. Entsprechend brillierte und brannte er im zweiten Teil des Konzerts in acht Kompositionen aus Argentinien und Brasilien, die von Melancholie und feurigem Rhythmus geprägt sind. „Danza de la moza donosa“ von Alberto Evaristo Ginastera gleicht einem Lied ohne Worte. Das Klavier „singt“ eine sehnsuchtsvolle Melodie über herben, teilweise dissonanten Harmonien. Schemann erläuterte: „Es geht um den Liebeskummer eines jungen Mädchens.“
Vier Kompositionen von Ernesto Nazareth, dem brasilianischen Chopin, sind stilisierte Tangos und eine Samba, also nicht zum Tanzen gedacht, sondern als Kunstmusik für den Konzertsaal mit vielschichtigen, teilweise impressionistischen und freitonalen Akkorden. Hier erklang sehr attraktive, mitreißende und sensationell dargebotene Musik. Die Zuhörerinnen und Zuhörer waren begeistert und dem langanhaltenden Applaus folgten noch zwei schöne Zugaben. Hans-Günther Driess