Alles, was ich sage, entspricht der Wahrheit“, betont Kabarettist Christian Springer immer wieder in seinem aktuellen Programm „nicht egal“. Und mal ganz ehrlich, im Kirchheimer Gewölbekeller wurde schon mehr gelacht und geklatscht, was aber nicht seinem Können, sondern eher den ernsten und bedrückenden Themen geschuldet war.
Wer den mehrfachen Kleinkunst-Preisträger kennt, weiß genau: Reine Heiterkeit oder gar Schenkelklopfer gibt es bei ihm höchst selten. Auch wenn Christian Springer gewissermaßen mit einem Knall geboren wurde, da ihn eine biologische Fügung des Schicksals kurz vor dem Jahreswechsel 1964/65 noch schnell auf die Welt kommen ließ, überlässt er nichts dem Zufall. „Habe ich gegoogelt, können Sie überall nachlesen“, verrät er seinem Publikum die Quelle seines umfangreichen Allgemeinwissens, das er mit stets hochziehender Hose springlebendig zum Besten gibt.
Darf man die Sau rauslassen?
Darunter ist Unglaubliches, Nachdenkliches. Passt ihm was nicht, schreibt er wie 2015 in Bezug auf die Flüchtlingskrise an den Ministerpräsidenten Horst Seehofer einen 80-seitigen Brief mit dem Titel: „Landesvater, cool down“ oder es wird ignoriert und mit Nichtbeachtung bestraft. „Erst wenn Frauen und Männer für die gleiche Arbeit gleiches Geld verdienen, können wir übers Gendern reden“, betont Christian Springer, der sich selbst eh zu alt für Gendersternchen sieht.
Dürfen wir die Sau rauslassen? Schmarrn reden? Zur Frage, ob man in Kriegszeiten überhaupt noch reinen Gewissens lachen darf, zitiert er seine Berufskollegin Erika Mann, die schon in den 1920er-Jahren sagte: „In elenden Zeiten darfst du kein Kabarett machen, da musst du Kabarett machen.“ Überhaupt, von wegen Goldene Zwanziger, „vielleicht für fünf oder sechs Berliner, für die restlichen wars Scheiße“, so Christian Springer zur Hyperinflation. „Ein Krieg ist nie vorbei, der tut lange weh, da hängen auch Reparationszahlungen dran“, sagt er und nennt den 3. Oktober 2010 als Tag der letzten Rate für den Ersten Weltkrieg. „Putins Angriffskrieg hat schon mit der Annexion der Halbinsel Krim im März 2014 begonnen.“ Dann macht er Wind. Erzählt von Söders Abneigung von Windkraftanlagen, schließlich habe einst doch schon Franz Josef Strauß gesagt: „Wer in Bayern einen Wind braucht, der soll Sauerkraut essen!“ Christian Springer erinnert sich, dass er als Student versucht habe, ihn mit zwei Eiern zu treffen, was ihm aber misslungen sei. Was der 57-Jährige Münchner allerdings revidiert, ist die Gefahr der durch die Windräder gefährdeten Vögel, wie beispielsweise den roten Milan: „Bedeutend schlimmer sind die Glasfassaden, daran zerschellen zehnmal so viel Vögel, nämlich eine Million.“
Jahrzehnte später bedauert der Kabarettist, dass sich Christian Lindner leider nicht an seine einstige Aussage, „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, gehalten habe und sich mit Maßnahmen wie dem Tankrabatt blamiert.
Was er mitunter harmlos ins Programm einstreut, lässt ihn einige Sätze später zum Ratgeber mutieren. So helfe beim Überkochen der Milch kein Spezial-Haushaltsmittel, sondern ausschließlich das „Daneben-Stehenbleiben-und-Aufpassen“. Kennen ihn manche noch als passionierten Grantler „Fonsi“, der jahrelang als Kassenwart von Schloss Neuschwanstein eine Aktentasche dabeihatte, gräbt er die heute noch gültige Zivilschutzordnung aus dem Jahr 1962 aus. Im Falle eines Atomkriegs und der damit verbundenen radioaktiven Strahlung solle man „alle Fensterrahmen und Läden weiß anstreichen, die Fenster mit Büchern blickdicht machen, was heutzutage mit E-Books schwierig ist, Nachbarn informieren, sich verstecken und die Aktentasche über den Kopf ziehen“.
Seine Leberknödelsuppe hat der tolerante Mutmacher unter den Kabarettisten kunstvoll und vielseitig abgeschmeckt. Gehaltvoll mit absurdem Witz und skurrilem Biografischen gewürzt, macht sie gierig, will gelöffelt werden und ist doch hin und wieder schwer zu schlucken. Ein gar nicht mal so witziger, aber dennoch beeindruckender Kabarettabend.
Info Um konkret zu helfen, hat der Kabarettist 2012 den gemeinnützigen Verein „Orienthelfer“ gegründet, die in der Syrienkrise schnelle und nachhaltige Hilfe vor Ort bietet. Grundsätzlich sei er einmal im Monat im syrischen Grenzgebiet, wo es nicht ganz so gefährlich für seine Mitarbeiter und ihn sei, berichtet Christian Springer sachlich von dem, was ihm sehr am Herzen liegt.