Weniger Zucker, Fett und Salz, dafür mehr Bio und regionale Lebensmittel: In den Kantinen soll es in Zukunft gesünder zugehen, das wünscht sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. „Leckeres, gesundes und nachhaltiges Essen darf nicht vom Geldbeutel abhängen oder davon, aus welcher Familie man kommt“, sagte der Grünenpolitiker vor einigen Wochen bei der Vorstellung der Strategie. Özdemir plant unter anderem ein Biolabel.
„Ich halte davon überhaupt nichts. In der Welt der Lebensmittel existieren zahlreiche Maßnahmen und Initiativen wie beispielsweise Tierwohl, Nutri-Score, Food-Ampel oder Fairtrade – das grundlegende Problem besteht jedoch darin, dass sie oft nicht ausreichend transparent sind oder manipuliert werden können", sagt Rene Durand, Abteilungsleiter Küchengastronomie bei den Medius Kliniken in Kirchheim und Nürtingen. Was ihm außerdem wichtig ist: „Die Bio-Zertifizierung bedeutet allein nicht zwangsläufig eine Garantie für eine höhere Nährstoffdichte oder eine bessere Verwertbarkeit durch den menschlichen Organismus.“
Aktuell seien im Krankenhaus etwa 25 Prozent der verwendeten Lebensmittel zertifizierte Bioprodukte. Vollkornprodukte werden bevorzugt, während sämtliche Menüs frei von Konservierungsstoffen, Allergenen und einfachen Zuckerzusätzen sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben täglich eine Auswahl zwischen Salat-Buffet, Suppe, Vollkost, leichter Vollkost, leichter Vollkost vegetarisch, vegetarischer Kost und Dessert. „Eine Hauptspeise bekommt man als Mitarbeitender für einen Preis zwischen 2 und 3,50 Euro, 100 Gramm am Salat-Buffet kosten 69 Cent“, erklärt Krankenhaus-Sprecher Max Pradler.
Gastro-Ampel bei der KSK
Ähnlich wie das Krankenhaus betreibt auch die Kreissparkasse ihre Kantine mit einem eigenen System. „Wir waren lange in unserer Kantine ‚Bio-Zertifiziert‘. Leider hat eine solche Zertifizierung diverse Nachteile und ist sehr kostenintensiv“, sagt Daniel Trauvetter, Leiter des „Casino“, wie die Kantine in der Zentrale der Kreissparkasse in Esslingen heißt. Dort hat man sich für das Konzept der Firma Gesoca entschieden, die nachhaltige Ernährung messbar auszeichnet und von der Krankenkasse AOK unterstützt wird. „Gäste können sich insgesamt gesünder ernähren, ohne auf bestimmte Speisen zu verzichten. Die Menüauswahl ist intuitiv durch die in Ampelfarben gekennzeichnete Speisen. Für die Mitarbeitenden ist diese Entscheidungshilfe auch ohne Fachwissen über Ernährung einfach nutzbar“, erklärt Trauvetter. Auch Gästebefragungen gehören bei der Sparkasse dazu. „Der Klimaschutz durch den Einsatz von nachhaltigen Produkten ist uns ebenfalls sehr wichtig.“, betont er.
Definierte Leistungsstandards wie der Ersatz von Reis durch ein Produkt mit einem niedrigeren CO2-Abruck würden rasch umgesetzt, sagt Trauvetter, der zudem mit regionalen Lieferanten zusammenarbeitet. „Auch haben wir die Auswahl der täglichen Menülinien verringert und können so gezielter gesunde Lebensmittel anbieten.“ Rund 50 Prozent der Speisen seien vegetarisch. „Damit steigerten wir den vegetarischen Anteil um über 15 bis 20 Prozent zu den Vorjahren.“
Im Vorschlag von Cem Özdemir, möglichst viel auf Bio zu setzen, sieht Daniel Trauvetter wenig Potenzial. Diese würden in erster Linie ein Mehrfaches kosten, ansonsten ist damit noch nicht viel gewonnen, glaubt er. „Im ersten Schritt müssen wir eine größere Transparenz schaffen, was Ernährung alles beinhaltet. Dazu gehören auch die Auswirkungen des Anbaus von Nahrungsmitteln für Mensch und Umwelt.“ Ein weiterer wichtiger Baustein sei die Vermeidung von Zucker in den Nahrungsmitteln. „Hier ist die Regierung gefordert, indem sie zum Beispiel mehr auf den Zuckerinhalt in Lebensmitteln und Getränken achtet und für die schrittweise Reduzierung sorgt“, meint der Casino-Leiter.
Essen wird meistens angeliefert
Nachfragen des Teckboten bei Unternehmen in Kirchheim und Umgebung wie AMK Motion, Mosolf, Recaro, Cellcentric, Keller oder Leuze ergaben zudem, dass die meisten Firmen keine eigene Betriebskantinen mehr haben oder wenn, dann aus Kostengründen oder mangels Nachfrage nur mit eingeschränktem Betrieb. Die Firma Fischer aus Weilheim hat eine Ausgabeküche und arbeitet dabei mit regionalen Gastronomen zusammen. „Das Angebot ergänzen wir um ein vielfältiges Salat-Buffett und einer Tagessuppe, ebenfalls vom regionalen Gastronomen“, sagt Marketing-Leiterin Verena Armbruster.
Keller Lufttechnik in Jesingen arbeitet mit dem Menülieferservice Hofmanns Menü-Manufaktur zusammen und bietet frische Salate dazu an. Die Hauptgerichte kommen schockgefrostet und werden vor Ort aufgewärmt.
So macht es auch AMKmotion. „Am Standort Kirchheim arbeiten rund 350 Mitarbeiter. Davon gehen täglich etwa 70 Personen in der Kantine essen“, sagt Sprecherin Anja Schaber. Dazu bietet AMK einen Beilagensalat an, der täglich frisch in der Kantine zubereitet wird. Ergänzt wird das Angebot durch Obstkörbe in den Abteilungen. „Für die Kantine wollen wir das Getränkeangebot demnächst durch gesunde Säfte ergänzen“, betont Anja Schaber. Nach dem gleichen Prinzip verfährt die Logistik-Firma Mosolf, wo es von Hofmann sowohl Fleisch- als auch vegetarische und vegane Gerichte gibt. „Zudem bieten wir unseren Mitarbeitern wöchentlich Obst von einem regionalen Anbieter mit Bio-Qualität an“, erklärt Natascha Rössler von Mosolf.
Hofmann ist ein Dienstleister aus dem Main-Tauber-Kreis, bio-zertifiziert und setzt auf regionale Zulieferer. „Bio“ oder nicht ist immer optional: „Somit haben unsere Kunden die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie Bio-Produkte erwerben möchten oder nicht", teilt eine Sprecherin mit. „Auch in der Betriebsverpflegung ist dies ein Thema. Durch unser Online-Bestellungs-Tool im B2B-Bereich ist für unsere Kunden klar ersichtlich, welche Menüs vollständig bio sind. Die Nachfrage nach 100 Prozent Bio-Produkten in den Betrieben und Unternehmen ist allerdings eher begrenzt“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.