Kirchheim
Katastrophenschutz rund um Kirchheim: Wann heulen wieder die Sirenen

Alarm Nach den Unwettern der letzten Monate stehen Sirenen als lautstarke Warnhilfen oben auf der Liste der Behörden. Aber: Rund um die Teck sind sie aktuell Mangelware. Von Thomas Krytzner
 

So still, wie es In Kirchheim und Umgebung am ersten bundesweiten Warntag vor gut einem Jahr blieb, so still war es auch, als Ende Mai Unwetter für Überschwemmungen und Zerstörung in der Region rund um die Teck sorgten. Es gab keine akustische Vorwarnung. Die meisten Sirenen wurden nämlich nach dem kalten Krieg abmontiert oder abgeklemmt.

Gab es im Landkreis Esslingen in den 90er Jahren noch 277 aktive Sirenen, sind es heute laut Amtsleiter für Katastrophenschutz, Feuerlöschwesen und Bevölkerungsschutz Bernhard Dittrich nur noch 31 in 16 Städten und Gemeinden. In Owen gibt es noch eine fast unsichtbare Sirene im Turm des Rathauses, wie Bürgermeisterin Verena Grötzinger bestätigt: „Sie ertönt ab einer bestimmten Brandstufe zur Alarmierung der Feuerwehrkräfte.“

Zeit ist ein wichtiger Faktor

Auch in Weilheim setzt man mit zwei Sirenen auf akustische Warnsignale. Bernhard Dittrich bringt es auf den Punkt: „Zeit ist bei einer nahenden Unwetterkatastrophe der wichtigste Faktor.“ Dabei verweist er auf die rechtzeitige Warnung der Bevölkerung, damit diese im Falle einer drohenden Überschwemmung die nötigen Maßnahmen kurzfristig einleiten kann. Der Bevölkerungsschutzbeauftragte im Amt für Katastrophenschutz und Feuerlöschwesen des Landkreises Esslingen sieht dabei Sirenen als einen möglichen und wichtigen Alarmierungskanal. „Wir müssen alles, was aufwecken und warnen kann, einsetzen. Sofern es die Situation erlaubt, müssen wir auch Lautsprecherwagen der Feuerwehren einsetzen.“

Da trifft Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich einen wunden Punkt, wie man beim letzten Hochwasser im Kreis am eigenen Leib feststellen musste: In Minutenschnelle stand nämlich das Feuerwehrgebäude der Gemeinde Aichtal selbst einen halben Meter unter Wasser, wie Aichtals Bürgermeister Sebastian Kurz, der selbst Feuerwehrangehöriger ist, bestätigte.

Gleichzeitig zeigt die Situation aber auch, dass nicht mehr die großen Flüsse für Überschwemmungen ursächlich sind, sondern eher kleine Bäche, die bei extremen Starkregen in kurzer Zeit zum reißenden Strom werden können. Und oft können Äcker das Wasser nicht mehr aufnehmen und wo es Gefälle gibt, fließt das Wasser dann sturzflutartig ab. „Da spielt die Gewässerpflege und die Auswahl der Baugebiete mit rein“, betont Bernhard Dittrich.

Die Kommunen können für den Hochwasserschutz beim Land Förderung beantragen, wie der Kreisbrandmeister erklärt: „Es gibt bis zu 70 Prozent Beteiligung des Landes, um Schäden durch Hochwasser zu reduzieren.“ Die Förderungen gelten allerdings nur für bauliche Schutzmaßnahmen und nicht für die Anschaffung neuer, elektronischer Sirenen, bedauert der Kreisbrandmeister.

Eine neue elektronische Sirene beläuft sich bei der Anschaffung nämlich auf über 12 000 Euro, dazu kommen die jährlichen Wartungskosten, die die Kommunen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Bernhard Dittrich macht den Kommunen Hoffnung: „Der Bund hat ein Sirenen-Förderprogramm in Höhe von 88 Millionen Euro aufgelegt. Ich gehe aber davon aus, dass dieser Betrag nicht ausreicht.“

Prävention ist besser als Nachsorge, findet Bernhard Dittrich und verweist auf digitale Starkregenkarten. „Für das ganze Land Baden-Württemberg stehen Hochwassergefahrenkarten zur Verfügung, die öffentlich zugänglich sind.“ Nebst der akustischen Warnung plant der Bund, Mitbürger in Zukunft vor Unwettern über Mobiltelefone zu warnen. „Dabei erhalten alle Mobiltelefone, die in einem definierten Gebiet eingeloggt sind, eine Warn-SMS“, beschreibt der Bevölkerungsschutz-Experte die neuartige Warn-Funktion.

Neues Konzept für Kirchheim

Wie die Pressesprecherin der Stadt Kirchheim Jana Reichle bestätigt, erarbeitet die Stadtverwaltung einen Katastrophen- und Einsatzplan (KEP). „Unter diesem Aspekt ist die Alarmierung der Bevölkerung und die Vorhaltung von Sirenen ein wichtiger Punkt“, präzisiert Jana Reichle. Im Stadtgebiet gäbe es derzeit keine Sirenen, weil es dafür keine Pflicht besteht. Am neuen Konzept der Stadt arbeiten externe Experten und Rettungsorganisationen mit.
Auch im näheren Umland sind Sirenen Mangelware. Im Lenninger Gemeindegebiet kann man zwar noch vereinzelt Sirenen auf Rat- oder Schulhäusern sehen, aber diese sind nicht mehr in Betrieb. Und gerade für das Lenninger Tal sieht DLRG-Bezirksvorsitzender Bastian Sturm ein Gefahrenpotential bei Starkregen. „Die beidseitig sanft ansteigenden Hügel sowie das Gefälle des Tals könnten die Lauter bei Starkregen sehr stark ansteigen und über die Ufer treten lassen.“ Bastian Sturm ist überzeugt: „Eine rechtzeitige Warnung, vor allem mit Sirenen und anderen akustischen Mitteln, kann Leben retten.“

Im Falle eines Hochwassers stehen laut DLRG-Chef im Landkreis Esslingen rund 100 Hilfskräfte der DLRG sofort zur Verfügung. „Aber was bringen die ganzen Retter, wenn sie wegen ungeeigneten oder überalterten Fahrzeugen gar nicht zu in Not geratenen Personen gelangen können“, fragt sich Bastian Sturm und schlägt daher Unimogs als ideale Rettungsmittel vor. „Diese haben sich kürzlich im Ahrtal bewährt, weil sie genügend Wattiefe haben, um nicht im Wasser stecken zu bleiben.“
 

Drei Fragen an Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich

Was kann jeder Einzelne im Vorfeld unternehmen, um sich vor Hochwasser zu schützen?
Präventiv sollten Bauvorhaben von Anfang an richtig geplant werden. Dabei kann man sich anhand der Starkregenkarten/Hochwassergefahrenkarten orientieren. Steht das Gebäude bereits im Gefahrenbereich, sollte man Sandsäcke vorhalten, damit im Notfall das Eindringen des Hochwassers abgemildert werden kann. Einige Kommunen bieten entsprechend Abfüllaktionen für Sandsäcke bereits an.


Was muss man beachten, wenn Wasser ins Haus eindringt?
Stellt man den Wassereinbruch früh genug fest, sofort die Elektrik trennen. Gefahrenbereiche wie Keller oder Tiefgarage bei steigendem Wasser umgehend verlassen, sie können zur tödlichen Falle werden. Wer mit dem Fahrzeug unterwegs ist, sollte Unterführungen meiden.


Wann rufe ich die Feuerwehr um Hilfe?
Wenn Menschenleben in Gefahr sind. Wenn nur wenige Zentimeter Wasser im Keller oder in der Tiefgarage sind, kann man diesen Schaden in den meisten Fällen selbst beheben. Wer die Feuerwehr zum Auspumpen beauftragt, sollte wissen, dass das Kosten verursacht, die übernommen werden müssen.kry