Kirchheim
Keine Lust auf Laster unter den Linden

Ortstermin Bewohner des Kirchheimer Nägelestals machen Bürgermeister Günter Riemer bei einem gemeinsamen Rundgang auf das aufmerksam, was ihnen so alles auf den Nägeln brennt. Von Andreas Volz

Die Kirchheimer haben sich längst daran gewöhnt: Nach der Autobahnausfahrt Kirchheim-West geht es nicht mehr direkt am Nägelestal vorbei in Richtung Innenstadt, sondern über den „Umweg“ Hegelstraße, Kreisverkehr und Hegelesberg. Wem diese Ortskenntnis fehlt, dem hilft das Navi weiter. Das glauben immer noch viele. Aber weit gefehlt: Es ersetzt die Ortskenntnis eben nicht immer. Und darunter leiden speziell die Anwohner im Nägelestal.

Seit der geänderten Verkehrsregelung ist für sie gefühlt kaum ein Tag vergangen, an dem nicht ein Lastwagenfahrer in ihrem Wohngebiet steckengeblieben wäre. Das Navi lockt die Fahrer immer weiter hinein, wie den Fisch in die Reuse: Es geht so lange vorwärts, bis es nicht mehr weitergeht, aber auch nicht mehr rückwärts.

Die Lastwagen verstopfen in solchen Fällen nicht nur stundenlang die Straßen, sie schlagen meistens auch eine Schneise der Verwüstung durch das Wohngebiet. Die Anwohner haben deshalb Unterschriften gesammelt, um die Stadtverwaltung auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

Die Stadt hat mittlerweile reagiert, was Bürgermeister Günter Riemer bei einem Ortstermin mit den Anwohnern detailliert erläutert: „Wir haben Schilder in allen möglichen Sprachen angebracht. Das reicht aber nicht. Vielleicht lesen die Fahrer die Schilder gar nicht. Jedenfalls ist eine Woche später gleich wieder einer reingefahren.“ Die Stadt melde geänderte Verkehrsführungen frühzeitig an die beiden größten Datenanbieter für Navis. Aber nicht alle Fahrer haben aktuelle Geräte oder solche, die sich ständig aktualisieren.

Deshalb hat die Stadt inzwischen Barrieren aus Beton aufgestellt - mit einer Durchfahrtbreite von maximal 3,50 Metern. „Das scheint zu funktionieren“, stellt der Bürgermeister fest. Die Anwohner widersprechen nicht. Aber schon zeigen sich neue Schwierigkeiten: Jeder kennt Geschichten, wie die Barrieren für gefährliche Momente sorgen. Auch für den normalen Anliegerverkehr bleiben eben nur 3,50 Meter an der Engstelle übrig, und diese 3,50 Meter müssen sich Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger teilen. Die Fußgänger wiederum sind häufig mit Kinderwagen oder mit Hunden unterwegs.

Nächste Schwierigkeit: Müllautos müssen ebenso durchkommen können wie Rettungsfahrzeuge. Hinzu kommt der Internethandel, wie Günter Riemer anmerkt: „Auch die Lieferanten sollten im Interesse der Anwohner bis vor deren Haustür gelangen.“

An dieser Stelle geht es nicht mehr um fremde Lastwagenfahrer mit veralteten Navis. Hier kommen die Anwohner selbst ins Spiel. Das Parken im Nägelestal ist als Problem so alt wie das Wohngebiet selbst. Es war schon nicht mehr „autogerecht“ konzipiert worden. Der Bürgermeister sagt zum Parkproblem: „Es gibt einen Entwurf des Ordnungsamts, Parkplätze auszuweisen oder Zickzacklinien anzubringen. Wir sollten da einen Gesamtplan anlegen und ihn in der Nachbarschaft diskutieren.“

Ebenfalls diskussionswürdig ist die Lärmschutzwand an der Stelle, die vom Nägelestal heraus in Richtung Stadt führt: „Das ist keine Lärmschutzwand, das ist eine Sichtschutzwand“, sagt ein leidgeprüfter Anwohner und Autofahrer. Dieses Problem ist ebenfalls „angekommen“ beim Bürgermeister.

Aber das ist noch nicht alles: Auch die Bäume - in diesem Fall Linden - bringen die Anwohner auf die Palme. Laub und Blüten verstopfen Abflüsse und Schächte. Auch lasse die Stadt die Bäume nicht mehr zurückschneiden, klagen die Anrainer. Günter Riemer stellt klar: „Das ist ein heikles Thema. Jeder Baum ist wichtig fürs Kleinklima.“ Auch beim Laub gelte die Räum- und Streupflicht. Trotzdem nahm er die Anregung auf, über die Linden sowie deren Größe und Anzahl im Nägelestal nachzudenken. Wenn die Blätter Schächte verstopfen und somit bei starken Regenfällen für Überschwemmungen mitverantwortlich sind, wären ja die Lastwagen noch das kleinere Übel.