Bei der Sanierung der Martinksirche in den Jahren 1962 bis 1964 wurde auch die Gruft der Herzogin Franziska von Hohenheim geöffnet, wie Rainer Laskowski in seinem jüngsten Vortrag zur Kirchheimer Archäologie ausführte. Als Franziska 1811 beigesetzt worden war, kam beim Bau der Gruft ein Skelett mit Schwert und weiteren Beigaben zu Tage. Dies ist der älteste überlieferte Bodenfund aus Kirchheim. Leider lässt sich aus dem zeitgenössischen Bericht keine genaue Zeitstellung des Grabfunds erschließen. Sicher ist damit aber, dass es auch im 1450 erbauten Chor aufwendigere ältere Bestattungen gibt.
1962 war die Gruft erstmals seit 1898 wieder kurzzeitig zugänglich. Franziskas Überreste wurden aus dem inzwischen stark zerfallenen Sarg geborgen, in der Sakristei aufgebahrt und danach in einem neuen Sarg wiederbestattet, den der Kirchheimer Schreiner Kiedaisch angefertigt hatte. Ein Foto ihres ursprünglichen Sargs befindet sich im Kirchheimer Stadtarchiv. Rainer Laskowski wünscht sich, mit Hilfe dieses Fotos noch einmal nachzuprüfen, ob die Beschläge des Sargs nicht doch den Weg in die Sammlung des Städtischen Museums gefunden haben, wie es der inzwischen verstorbene Schreiner zu Lebzeiten überliefert hat.
Zum Andenken an die in der Gruft bestattete Herzogin Franziska wurde vor etwa 25 Jahren eine Gedenkplatte aus Bronze angebracht, ohne dass man damals die genaue Lage der Bestattung ermittelt hatte. Man verließ sich auf der Suche nach der Gruft auf das Abklopfen des Chorbodens. Wo es hohl klang, vermutete man diese. Die Platte befindet sich heute über der nordöstlichen Ecke der Gruft, also nicht genau über dem Sarg Franziskas, der nachweislich an der südlichen Wand der Gruft auf einem kleinen Podest ruht.
Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags betraf das Gebiet zwischen Gerber- und Alleenstraße. Bedingt durch den weitgehenden Abriss aller Gebäude auf dem Areal zwischen Schlachthaus- und Schülestraße waren 2021/2022 großflächige archäologische Untersuchungen notwendig. Dabei wurden im abschüssigen Gelände westlich der Alleenstraße einige „Grubenhäuser“, also überdachte Erdkeller, und zahlreiche Pfostenspuren aus vorstädtischer Zeit entdeckt. Einzelne Keramikfunde aus den Grubenhäusern reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück. Weiter unten befanden sich etliche Gerbergruben und Gebäudereste aus jüngerer Zeit. Hier stand die Ledererzeugung im Vordergrund. Folglich hieß die Gerberstraße früher auch Ledergasse. Die vielfältigen Bebauungsspuren zeigen, dass dieses Areal über lange Zeit dazu genutzt worden ist.
Das Gebäude Gerberstraße 11 (ehemals Wohnhaus der Rotgerberei Sigel) ist nach dem Schlössle im Freihof (erbaut 1428) das zweitälteste noch erhaltene Wohnhaus in Kirchheim (Kernbau 1429/30). Auf dem gegenüberliegenden Eckgrundstück, ehemals Schlachthausstraße 7, wurden Reste verschiedener Kellermauern sichtbar. Auffallend war ein Mauerstück aus graublauem Arietenkalkstein, aus dem auch die untersten Lagen der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert bestehen. Somit kann dieser Keller bis in diese Zeit zurückreichen. Ersetzt wurde er später durch einen Keller mit größeren, blockigen Steinen aus gelblichem Angulatensandstein, der unmittelbar neben und parallel zur Schlachthausstraße verlief. Diese Steine wurden erstmals in größeren Mengen im späteren 14. Jahrhundert für die „Zwingermauer“ der Stadtbefestigung verwendet.
Auf die lange und kontinuierliche Besiedlung dieses Areals weist auch der ehemalige Eindachhof Gerberstraße 15 hin, der unmittelbar östlich des Anwesens Gerberstraße 13 und 13/1 lag und parallel dazu verlief, getrennt nur durch eine schmale Gasse. Dieser Hof konnte dem späteren 16. Jahrhundert (1580) zugewiesen werden. Unmittelbar südlich schloss später ein Erweiterungsbau mit Walmdach an (erbaut 1791), Haus Schülestraße 4. Um 1900 war hier die Küferei Laux.
500 Jahre altes Forst- und Gasthaus
Besondere Beachtung verdient das Wohnhaus Alleenstraße 14. Es liegt am östlichen Rand des Sanierungsgebiets und wurde offenbar 1521 errichtet. Ab 1582 war es Forsthaus, von 1662 bis 1964 das Gasthaus „Hecht“. Im 19. Jahrhundert gehörte eine Brauerei dazu, von der bis vor kurzem zwei übereinanderliegende Gewölbekeller und das Mälzereigebäude im rückwärtigen Teil des Areals zeugten. Im östlichen Giebel, zur Alleenstraße hin, ist im südlichen Teil noch originales Fachwerk aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Nach Norden hin wurde das Haus wohl im 19. Jahrhundert durch eine mächtige giebelartige Gaube mit einfachstem Fachwerk erweitert.
Zum Abschluss seines Vortrags ging der Referent auf das Anwesen Ziegelstraße 31 ein, eine Ziegelei, deren Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert stammte und 2022 abgebrochen wurde. Das Haus besaß im Süden offenbar einen größeren Garten, der möglicherweise früher auch zum Zunfthaus der Ziegler gehörte. Das Anwesen ging im späteren 19. Jahrhundert ins eigentum der Ziegeleibesitzerfamilie Schimming über. Der Schlussstein des Portalbogens der alten Eingangstür zeigt das Datum 1793. Er ist mit der Darstellung eines Blumenkorbs versehen. Jetzt befindet sich der Stein im archäologischen Depot des Museums in der ehemaligen Unterführung des Kirchheimer Bahnhofs.
Auch dieses Areal ist für die Siedlungsentwicklung der Stadt Kirchheim nicht ganz unwichtig, denn in der Schöllkopfstraße konnte vor zehn Jahren eine Anzahl vorstädtischer Grubenhäuser nachgewiesen werden, die ebenfalls bis ins 8./9. Jahrhundert zurückreichen.
1428
ist das Jahr, in dem Kirchheims ältestes erhaltenes Wohnhaus gebaut wurde – das Schlössle im Freihof.