Digitalisierung
KI ersetzt in Schulen den Spickzettel

An weiterführenden Schulen wird der Einsatz künstlicher Intelligenz zum Problem. In Prüfungen, Klassenarbeiten und bei Hausaufgaben ist die Lösung nur noch einen Klick weit entfernt. 

Künstliche Intelligenz findet auf alles eine Antwort: In der Schule und bei Hausaufgaben wird das für Lehrer zum Problem. Foto: Carsten Riedl

Fluch oder Segen? Fast nirgendwo wird der Zwiespalt im Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) deutlicher als an Schulen. KI-Tools unterstützen Lehrkräfte bei Organisation und Inhalten des Unterrichts. Gleichzeitig sind sie Teil eines Problems, für das sich bisher nur schwer eine Lösung finden lässt und das Schulpädagogen zunehmend beunruhigt: Betrug und Täuschung in Prüfungen, Klassenarbeiten und bei Hausaufgaben. Die Lösung für das Mathe-Problem, das komplizierte Aufsatzthema oder den Englisch-Test – alles nur einen Klick weit entfernt und alles in Sekundenschnelle verfügbar.

Seminararbeiten daheim sind inzwischen ein echtes Problem.

Martin Zurowski, Geschäftsführender Schulleiter der beruflichen Schulen im Kreis zum Einsatz von KI.

Zurück zum Zwiespalt: „Ohne Künstliche Intelligenz wird es in Zukunft nicht gehen,“ sagt Martin Zurowski klipp und klar. „Bei uns kommen im Moment allerdings die negativen Auswirkungen an.“ Zurowski ist Geschäftsführender Schulleiter der beruflichen Schulen im Kreis Esslingen und Leiter der Nürtinger Albert-Schäffle-Schule. Rund 1000 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 15 und 19 Jahren werden hier unterrichtet. Die kaufmännische Schule deckt ein weites Feld ab, vom berufsbegleitenden Unterricht bis hin zum Abitur am Wirtschaftsgymnasium. Was Zurowski erlebt: Täuschungsversuche nehmen massiv zu, das Unrechtsbewusstsein vieler Schüler ab. Wo sich Gelegenheit bietet, lohnt zumindest der Versuch. Auch die Technik wird immer raffinierter. Mit digitalen Markern, die wie herkömmliche Textmarker aussehen, lassen sich Texte vollständig erfassen und weiterverarbeiten. Für Lehrkräfte heißt das: Sie müssen sich mitentwickeln, wachsamer werden. Eine KI-Fortbildung pro Jahr ist an der Albert-Schäffle-Schule seit diesem Jahr Pflicht. In Prüfungen gibt es inzwischen mehr Aufsichtspersonen als dies früher der Fall war.

Dabei liegt in Prüfungen der Fall klar: Wer das Handy mitbringt und damit erwischt wird, ist raus. Die Notenverordnung, die bei Klassenarbeiten greift, bietet bei Sanktionen mehr Spielraum – mit allen Nachteilen für Lehrkräfte. „Über die angemessene Konsequenz zu entscheiden, ist komplex und aufwändig,“ sagt Martin Zurowski. Wer nicht inflagranti erwischt wird und dafür die Note sechs erhält, muss zumindest eine Erklärung liefern können. Woher sein flüssiges Englisch plötzlich kommt oder welcher Weg ihn zur Lösung der anspruchsvollen Mathe-Aufgabe geführt hat. Erst recht, wenn die so gar nicht zu seinen seitherigen Leistungen in diesem Fach passen will. „Seminararbeiten daheim,“ sagt Zurowski, „sind inzwischen ein echtes Problem.“ Ein Problem, das im Zweifelsfall auf juristischem Weg geklärt werden muss. Strittige Fälle landen beim für die Schulen zuständigen Regierungspräsidium. Der Nachweis der Täuschung bleibt juristisch eine Grauzone und wird nicht selten zur Indizienklauberei. „Spaß macht das alles keinen,“ meint der Schulleiter.

Allgemeinwissen schwindet

Betrug oder nicht ist die eine Frage. Eine andere ist die, welchen Schaden die ungefilterte Nutzung von KI im Schulbereich anrichten kann. Zurowski unterrichtet neben Englisch auch Geschichte und Gemeinschaftskunde. „Wenn ich erlebe, wie Allgemeinwissen abnimmt, dann bereitet mir das schon Sorge“, sagt der Schulleiter. Während gute Schüler massiv von KI profitieren könnten, werden sie für schwächere auf lange Sicht zum Problem. „Die Logik, dass man dadurch nichts lernt, versuchen wir täglich zu vermitteln.“

Landesregierung zeigt sich unentschlossen

Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) wagte im Januar einen Vorstoß, die Handy-Nutzung an Schulen flächendeckend einzuschränken. Prompt kam massiver Widerstand vom Landesschülerbeirat. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält eine pauschale Regelung für überflüssig. Bisher entscheidet jede Schule selbst, wie sie den Umgang mit Smartphones auf dem Schulgelände regelt. Bei Klausuren und Prüfungen sind die Geräte in aller Regel tabu.
Zustimmung für ein generelles Handy-Verbot an Schulen kommt vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) und vom Landeselternbeirat. Kritiker argumentieren, die Handynutzung im Schulbereich schränke die Konzentrations- und Lernfähigkeit ein. Bisher hat die Landesregierung keine klare Antwort auf die Frage gefunden. bk