Streitthema
Kinderärzte Kuhn und Gaißer fordern deutsche Sprachkenntnisse

Handelt es sich um Diskriminierung, oder ist es eine organisatorische Notwendigkeit? Ein Schild, das in der größten Kirchheimer Kinder- und Jugendarztpraxis steht, liefert Diskussionsstoff.

Ulrich Kuhn bei der Untersuchung eines kleinen Mädchens. Foto: Carsten Riedl

Wir sprechen hier in der Praxis ausschließlich Deutsch! Sollte eine Kommunikation aufgrund fehlender deutscher Sprachkenntnisse nicht möglich sein und auch kein Dolmetscher persönlich anwesend sein, müssen wir eine Behandlung – außer in Notfällen – zukünftig ablehnen“. Diese Aussage, die auf einem Schild auf dem Empfang der Kinder- und Jugendarztpraxis Kuhn/Gaißer/Dr. Rödiger in Kirchheim steht, sorgt für Diskussionsstoff. Eine Leserin, die sich an unsere Zeitung gewandt hat, ist darüber so verärgert, dass sie sich nicht nur bei der Ärztekammer, sondern auch beim Oberbürgermeister der Stadt Kirchheim, bei der Kassenärztlichen Vereinigung und bei der Antidiskriminierungsstelle beschwert hat. Patientin in der Praxis ist sie nicht, sondern hatte die Ärzte mit ihrem Kind vertretungsweise aufgesucht. „Ich verstehe, dass es mit der Kommunikation schwierig sein kann. Aber man darf das doch nicht auf dem Rücken der Kinder austragen“, sagt Nadine S..

 

Seitdem bringen die Patienten in der Regel jemanden mit, der Deutsch spricht. 

Ulrich Kuhn, Kinder- und Jugendarzt

 

Ulrich Kuhn, einer der Betreiber der Kinderarztpraxis im Alten Haus, kann die Aufregung überhaupt nicht nachvollziehen und ärgert sich über den Diskriminierungsvorwurf. Er verteidigt das Schild als eine praxisorganisatorische Notwendigkeit. „Wir behandeln schon immer Patienten aus aller Herren Länder und haben noch nie nach irgendwelchen Merkmalen unterschieden oder aussortiert“, sagt Kuhn. In den letzten Jahren hätten jedoch die Fälle zugenommen, in denen Kommunikation nicht nur schwierig, sondern schlicht unmöglich sei. „Wir müssen aber miteinander sprechen können. Das geht los bei der Anamnese und endet damit, dass die Eltern verstehen müssen, wie weiter zu verfahren ist“, sagt Kuhn. Wenn er beispielsweise eine Impfung verabreiche, könnten Eltern ohne deutsche Sprachkenntnisse keine Einwilligung erteilen. Im Zweifelsfall könne das für ihn und seine Kollegen sogar juristische Konsequenzen haben. „Wenn jemand im Nachhinein sagt, ich war sprachlich gar nicht in der Lage, eine Einwilligung zu geben, dann findet sich da ein Anwalt, der einen Anspruch geltend macht“, sagt Kuhn.

Auf Englisch oder mithilfe von „Google Translate“ könne er kein vernünftiges medizinisches Gespräch führen. Der Satz „Wir sprechen ausschließlich deutsch“ sei keine politische Aussage, sondern eine Tatsache.

Mit der Wirkung des Schildes ist der Kinder- und Jugendarzt durchaus zufrieden. „Seitdem bringen die Patienten in der Regel jemanden mit, der Deutsch spricht“, sagt Ulrich Kuhn. In Notfällen werde weiterhin niemand weggeschickt. „Aber wenn es nichts Lebensbedrohliches ist, geben wir den Patienten einen neuen Termin und sagen, dass sie dann einen Dolmetscher mitbringen sollen“, so der Kinderarzt. Das sei jedoch seit Aufstellen des Schildes kaum noch nötig. 

Das Schild hat noch einen weiteren Hintergrund. „Wir müssen versuchen, die Praxisabläufe effizient zu gestalten“, sagt Ulrich Kuhn. Aktuell kümmern sich vier Ärztinnen und Ärzte um die kleinen Patienten. Im vergangenen Sommer waren sie noch zu sechst. Die kinderärztliche Versorgung im Raum Kirchheim sei alles andere als rosig. „Wir haben heute schon viel mehr Menschen zu versorgen als wir eigentlich können“, sagt der Kinderarzt. Und wenn sich an der Praxisanmeldung lange Schlangen bildeten, weil die sprachliche Verständigung kaum bis gar nicht möglich sei, dann helfe das keinesfalls.

Konsequenzen scheint das Schild für die Praxis nicht zu haben. Die Ärztekammer hätte eine Stellungnahme angefordert, so Kuhn. Und die Antidiskriminierungsstelle hätte angeregt, Infomaterial in verschiedenen Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Auch Patienten kämpfen mit Sprachbarrieren

Hausärzte haben in ihren Praxen ebenfalls mit Kommunikationsproblemen zu tun. Dr. Wolf-Peter Miehe, Hausarzt in Weilheim und Vorsitzender der Kreisärzteschaft, betont jedoch, dass Kommunikation nur in Einzelfällen überhaupt nicht möglich sei. „Die meisten, die sich gar nicht verständigen können, bringen jemanden mit, der Deutsch kann“, sagt er. Glücklicherweise habe er in seinem Praxisteam Menschen unterschiedlichster Herkunft. „Im Zweifelsfall kommen die mit rein und übersetzen.“

Im Klinikbereich hätten Patienten häufig Probleme, mit ihren Ärztinnen und Ärzten Deutsch zu sprechen, sagt Miehe. Und zwar egal, ob es sich um einen Standort wie Kirchheim oder um eine Uniklinik handle.

„Natürlich löst so ein Schild angesichts des momentanen politischen Klimas einen Spontanreflex der Empörung aus“, sagt Miehe zum Schild in der Kinderarztpraxis. „Ich glaube, dass das ein organisatorisches Thema ist.“ adö