Hat die Oberbürgermeisterin Geburtstag?“, fragt sich eine Passantin, als sie den vielstimmigen Chor vor dem Kirchheimer Rathaus sieht und vor allem hört. Magisch von den Kinderstimmen angezogen wird auch ein Ehepaar, als es auf dem Weg in Richtung Wochenmarkt den Gesang vernimmt und dann zielsicher das Rathaus ansteuert. Nicht wenige Passanten drehen sich staunend um oder bleiben stehen, als immer mehr Kinder aus verschiedenen Richtungen hinzukommen und in das Lied einstimmen.
Sing-Flashmob lautet die Antwort auf die Frage, was sich hinter dieser Sangesaktion verbirgt. Vor Ort bleibt sie aber unbeantwortet - wie es sich eben für einen Flashmob gehört, ohne Ansprache. „Es bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen Menschenauflauf auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, bei denen sich die Teilnehmer persönlich nicht kennen und ungewöhnliche Dinge tun. Flashmobs gelten als spezielle Ausprägungsformen der virtuellen Gesellschaft, die neue Medien wie Mobiltelefone und Internet benutzt, um kollektive direkte Aktionen zu organisieren“, ist zum Thema Flashmob in Wikipedia zu lesen.
Ganz spontan ist das Ganze in diesem Fall nicht. Susanne Schöllkopf, Rektorin am Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt Lernen der Konrad-Widerholt-Schule, hatte die Idee dazu: Vor den Sommerferien, wenn sämtliche Arbeiten geschrieben sind, treffen sich Schüler mit ihren Lehrern vor dem Rathaus und singen traditionelle Kinder- und Sommerlieder auswendig. Dazu eingeladen waren alle Kirchheimer Schulen. Gekommen sind Kinder der Freihof-Grundschule und -Realschule, der Raunerschule und der Teck-Grundschule. „Traditionelle Lieder werden immer weniger gesungen“, bedauert Susanne Schöllkopf. Dem wollte sie mit dem Flashmob entgegenwirken, und so schmetterten die Kinder „Der Kuckuck und der Esel“, „Ein Männlein steht im Walde“, „Ich bin anders als du“ und den Kanon „Lachend kommt der Sommer“ fröhlich vor sich hin. Dazwischen hat sich das englische Lied „I like the flowers“ hineingeschmuggelt - ganz wichtig aus Sicht der Schüler.
„Kinder singen gerne“, ist die Erfahrung der Pädagogin sowie von Bernd Reichenecker und Jochen Schweizer. Die beiden unterrichten evangelische Religion, sind begeisterte Sänger und Musiker. Mit tatkräftiger Unterstützung von Hausmeister Matthias Kniewel hat Bernd Reichenecker sein E-Piano aufgestellt, und Jochen Schweizer gab mit der Trompete ebenfalls den Ton an.
„Es war einfach ein Impuls. Ich hatte den Wunsch verspürt, was Verbindendes für die Kirchheimer Schulen zu machen“, sagt Susanne Schöllkopf. „Wenn man etwas gemeinsam unternimmt, entsteht ein ganz anderes Feeling zu allen Beteiligten“, ist sie überzeugt. Jeder muss seinen Ton finden und auf das Zusammenspiel achten. „Die Kinderlieder sind ein wunderschönes Kulturgut. Kann man sie auswendig, hat man einen Schatz im Herzen, der der Seele gut tut“, sagt die Rektorin. „Schule ist heute so verkopft“, bedauert die Pädagogin. Sie schätzt die Möglichkeiten, die sie an ihrer Einrichtung hat. „Das Merkmal unserer Schule: Wir sind privilegiert und nicht im üblichen Kanon verankert. Wir sind freier in unserem pädagogischen Konzept, und die Eltern steigen uns nicht aufs Dach - diese Freiheiten muss man erkennen und nutzen“, sagt Susanne Schöllkopf.