Bunte Luftballons weisen den Weg in das etwas versteckt liegende Kinderhaus: ein knallrotes Paradies mit großem Garten für die Jüngsten, das von A bis Z – Ausrichtung und Zielsetzung – seinesgleichen sucht. Während die Jungen und Mädchen vor der Manege rechtzeitig ihren Platz im Gras gefunden haben, gehen Amelie, Emma, Lilly, Lisa, Mia und Jannes vom Zirkus Teckolino nochmals ihren Ablauf durch. „Wir konnten sehr lange nichts mehr machen, heute zeigen wir einen kleinen Ausschnitt unseres Programms“, verrät Jannes, der mit seinen 17 Jahren quasi der „Senior“ ist. Mit Akrobatik, Jonglage, Diabolo, Seilkunst und Pyramide ernten die Artisten viel Beifall.
Während Rike Lehmanns Sohn Lasse die Kunststücke bestaunt, erzählt sie vom Kinderhaus. „Das ist nicht nur Hinbringen und Abholen, man wächst hier wie eine Familie zusammen.“ Lasse darf dort seit eineinhalb Jahren sein „Kindsein“ voll ausleben, erzählt Rike Lehmann, die die Elternwochen als Chance für Mütter und Väter sieht, „im Kinderhaus komplett dabei sein zu dürfen.“
„Was mit einer Eltern-Kind-Initiative begonnen hat, hat sich im Laufe der Zeit zu einer Kindertageseinrichtung entwickelt, die heute wie in der Vergangenheit mit ihrer besonderen Konzeption mehr als gefragt ist“, blickt Andreas Haussmann, ehemaliger Vorsitzender des Elternvereins, zurück. „Wir erhalten in letzter Zeit bis zu zwei Anfragen für einen Platz pro Woche –und das Ganze bei 15 Plätzen.“
Kitaplätze: ein hohes Gut
„Damals wie heute: Kindergartenplätze sind ein hohes Gut“, sagt Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader und fügt mit Blick aufs Kinderhaus hinzu: „Was sie hier umsetzen ist einzigartig.“ Für ihn ist es wichtig, dass Eltern sich aussuchen können, welche Einrichtung zum Kind passt. Deshalb will er dem Gemeinderat vorschlagen, weitere Plätze zu schaffen. Pascal Bader: „Uns plagt aktuell der Fachkräftemangel, wir suchen händeringend nach Personal. Bei 19 Einrichtungen haben wir ein Defizit von 15 Erzieherinnen, es fehlen fünf Fachkräfte, um in Vollbesetzung zu arbeiten.“ Was in Schulen längst üblich ist, sei nun auch für Kindergärten geplant: Sekretariatskräfte für die Formalitäten einzustellen. „Dadurch können die Erzieherinnen viel mehr mit den Kindern arbeiten.“ Dann plaudert der OB noch aus seiner eigenen Kindergartenzeit, die 1973 begann: „Ich habe dazwischen geredet, Quatsch gemacht und musste deswegen eine halbe Stunde in der Ecke stehen – so streng war das zu dieser Zeit.“
Anschließend lassen Ingeborg Hölzle und Brunhilde Pregizer, beide gehören zu den „Kinderhäuslern“ der ersten Stunde, die Anfänge der Einrichtung Revue passieren: „Müssen wir heute wieder spielen was wir wollen, oder sagst du uns was?“ gibt Brundhilde Pregizer die Frage eines Kindes wieder, die der 82-Jährigen besonders im Gedächtnis geblieben ist. Sie hat zum Fest einen Ordner mit vo n Hand geschriebenen Protokollen mitgebracht.
Buchhaltung ist Elternsache
Das Kinderhaus ist ein Paradebeispiel für Engagement: „Vom Haushalt bis zur Buchhaltung, die Eltern haben ehrenamtlich vieles gestemmt“, berichtet die langjährige ehemalige Erzieherin Ursula Rothfuss-Tangel, die gemeinsam mit Erzieherin Beate Müller-Hannig und Erzieher Till Birkenfeld moderiert.
Kathrin Böhm lernte die Einrichtung als Kind und Mama zu schätzen. „Das war kein typischer Kindergarten, sehr frei und kein strukturierter Tagesablauf. Gab es Ideen, durfte man diese umsetzen, auch die Kinder wurden gehört“, erinnert sich die 46-Jährige nicht zuletzt an den daraus entstanden Freundeskreis, der aus intensiver Vertrauensbasis entstanden ist.
Es gibt viel zu erzählen an diesem sonnigen, geselligen Nachmittag. Auch an musikalischer Unterhaltung – komplett aus der Hand von Kinderhaus-Familien – fehlt es nicht. Jazzmusiker Jochen Feucht greift zur Trommel und überrascht gemeinsam mit seiner Ehefrau, Violinistin Irina Hornung-Feucht, und Tina Hienerwadel an der Blockflöte als bunt zusammengewürfelte Eltern-Combo mit Klezmer-Musik. Die Jüngsten lassen als Chor dann die Kinderhaushymne erklingen und singen: „Kinderhaus, wir lieben dich.“
Es begann in einem alten Fabrikgebäude
Fünf Familien fanden sich 1972 zusammen, weil es nicht genügend Kindergartenplätze gab und die Eltern eine Alternative zu den damals bestehenden Betreuungsplätzen suchten. Sie trafen sich mit ihren Kindern in privaten Räumen als Spielkreis an zwei Nachmittagen mit etwa zwölf Kindern und unter der Aufsicht von mindestens zwei Müttern, die sich abwechselten. Nach einem Jahr in Eigenregie kam eine Erzieherin zu der Gruppe und begleitete sie ehrenamtlich.
Der Verein Kinderhaus wurde 1985 gegründet. Man stellte eine Erzieherin ein, die fest mit dem Elterndienst zusammenarbeitete.
In einer Wohnung in einem stillgelegenen Fabrikgebäude war das Kinderhaus anfangs untergebracht, danach in einer Wohnung einer alten Villa. Nach verschiedenen Stationen fand sich 1986 in Ötlingen für 17 Jahre eine Bleibe. Seit 2004 ist die Einrichtung, die insgesamt sechs Umzüge bewältigten musste, in den Kindergartenbedarfsplan der Stadt Kirchheim aufgenommen. Seit 2005 befindet sich das Kinderhaus in den Räumen des ehemaligen städtischen Henrietten-Kindergartens.
Die Einrichtung ist in Kirchheim eines der am längsten bestehenden Alternativangebote für Kinderbetreuung. Seit Bestehen gibt es Elternwochen: Jede Woche ist ein Elternteil für drei bis fünf Tage dabei. Aktuell betreuen drei Erzieherinnen 15 Kinder von drei bis sechs Jahren.