Er macht auch vor der Kirche nicht halt: der demographisch bedingte Personalmangel. „Ab 2025 gehen jedes Jahr 120 Pfarrer in Rente, und maximal 40 rücken nach“, sagt Kirchheims Dekan Christian Tsalos über die Perspektiven in der Württembergischen Landeskirche. Auf den Pfarrplan hat das ganz neue und
ungewohnte Auswirkungen: Würden alle Stellen erhalten bleiben, ließen sie sich gar nicht mehr besetzen. Was also die reine Personalsituation betrifft, scheint es gar nicht so furchtbar schlimm zu sein, dass der Kirchenbezirk Kirchheim die Vorgabe hat, die vorhandenen 20,5 Pfarrstellen bis 2030 auf 15,25 zu reduzieren.
Mitgliedszahlen sinken drastisch
Und doch ist ein gewaltiger Umbau gefordert. „Jede vierte Pfarrstelle fällt weg“, stellt Christian Tsalos fest. Rechnerisch scheint auch das zu passen. Es ändern sich nämlich auch die Mitgliedszahlen. Das liegt nicht nur an zunehmenden Kirchenaustritten, sondern gleichfalls am Wandel, den die Demographie vorgibt: Wo die geburtenstarken Jahrgänge immer weiter wegbrechen und die geburtenschwächeren Jahrgänge nachrücken sollten, sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder drastisch.
Wie drastisch das konkret aussieht, verdeutlicht Kirchheims Dekan: „Die Zahl an Kirchenmitgliedern, die wir heute haben, im Jahr 2023, sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche, halbiert sich bis 2040.“ Die Entwicklung sei nicht ganz neu, denn schon seit 1969 gingen die Zahlen kontinuierlich zurück. Inzwischen aber gibt es da eine ganz neue Dynamik. Eine Halbierung innerhalb von 17 Jahren ist nicht so leicht zu bewältigen. In diesem Fall sei aber noch ein Nord-Süd-Gefälle zu verzeichnen. Im Norden Deutschlands gebe es einen stärkeren Schwund als in der Württembergischen Landeskirche – „aber trotzdem trifft es uns.“
Für den Kirchenbezirk Kirchheim und für den Pfarrplan 2030 bedeutet das immerhin, dass sich an der Zahl der Gemeindemitglieder pro Pfarrstelle so gut wie nichts ändert, auch wenn rund 25 Prozent der Stellen wegfallen: „Wenn der neue Pfarrplan in sieben Jahren umgesetzt ist, kommen wir auf 1 900 bis 2 200 Gemeindeglieder je Pfarrer. Das haben wir jetzt in etwa auch.“ Wäre demnach alles in Butter? Nicht wirklich.
„Wenn wir weniger Pfarrstellen haben, brauchen wir ganz andere Zuschnitte für die Gemeinden.“ Das heißt, dass es Pfarrhäuser ohne Pfarrer geben wird. Das heißt außerdem, dass sich auch nicht mehr jede Außenstelle und jedes Gemeindehaus weiterhin nutzen lassen. Zum einen gibt es künftig weniger Menschen, die diese Einrichtungen aufsuchen. Zum anderen steht weniger Geld zur Verfügung, um diese Gebäude zu unterhalten. Ein Mitgliederschwund führt zwangsläufig auch zu weniger Einnahmen. Christian Tsalos möchte die Kirche gerne im Dorf lassen: „Wir wollen keine Kirche aufgeben. Aber es wird künftig nicht mehr an jedem Sonntag in jeder Kirche einen Gottesdienst geben.“
Jörg Stolz, Gesamtkirchenpfleger und zugleich Kirchenbezirksrechner, sieht landesweit das Problem der Landflucht, auch in der Kirche: „Für die Region Stuttgart lässt sich sicherlich genügend Personal finden. Aber weit draußen auf dem Land wird es schwierig. Da treibt viele Gemeinden schon die Sorge um, dass sie gar niemanden mehr kriegen könnten.“
„Es gibt große Emotionen“
Was die Neustrukturierung der Gemeinden betrifft, spricht Jörg Stolz auch das drängendste Problem an: „Da gibt es große Emotionen.“ Das liegt daran, dass die Kirche eben nicht nur sprichwörtlich zum Dorf gehört – und zur Kirche gehören halt auch der Pfarrer oder die Pfarrerin. Wie lässt sich da die passende Lösung finden? Indem man eben nicht von oben herab etwas verordnet. Die Gemeinden sollen das nach Möglichkeit selbst regeln. „Die einzelnen Kirchengemeinden sind jetzt aufgefordert, sich aufeinander zuzubewegen“, sagt Dekan Tsalos. „Das sind Prozesse, die Zeit brauchen. Aber es kann sich positiv entwickeln, wenn da ein paar Leute mit gutem Willen zusammensitzen.“
Die Notwendigkeit, die 5,25 Pfarrstellen im Bezirk bis 2030 abzubauen, ist nicht diskutierbar. Da sind keinerlei Ausnahmen zulässig. Das muss auch gar nicht zu besonderen Härten führen, weil sich die Stellen durch Ruhestand oder Weggang reduzieren lassen sollten. Aber Christian Tsalos betont, dass der Pfarrplan eben 2030 nicht begonnen wird, sondern bis dahin abgeschlossen sein muss: „In Kraft tritt der Pfarrplan schon zum 1. Januar 2025. Eine Stelle, die 2030 endet, darf danach auch nicht mehr besetzt sein.“ Das wiederum habe Auswirkungen auf die Bewerbungen. Auf eine künftig wegfallende Stelle wird sich für die maximal verbleibenden fünf oder sechs Jahre kaum mehr jemand melden.
Die Zeit drängt, denn es ist nur noch ein gutes Jahr, bis der Pfarrplan bereits in Kraft treten soll. Immerhin sind diejenigen, die die Stellen in Zukunft besetzen, bei den Beratungen schon mit im Boot. „Junge Pfarrer wollen gerne im Team arbeiten“, stellt Christian Tsalos fest. Dazu gehöre es beispielsweise, den Konfirmandenunterricht zu bündeln oder sich auf eine Geschäftsführung pro Distrikt zu einigen. Einigung ist also in vielerlei Hinsicht das Ziel des neuen Pfarrplans.